Interview mit Andreas Liebl von appliedAI

„Wir müssen besser kooperieren, wenn wir bei Künstlicher Intelligenz besser werden wollen“

Künstliche Intelligenz setzt zum Sprung von der Forschung und Erprobung in konkrete Anwendungen an. Fraunhofer Venture und die appliedAI Initiative, die KI-Anwendungsinitiative der UnternehmerTUM GmbH, haben deshalb einen gemeinsamen AI-Track für das Technologietransfer-Programm AHEAD entwickelt (nächstes Bootcamp als Einstieg: 16. bis 19. September). Wir sprachen mit Andreas Liebl, dem Leiter von appliedAI und Partner des KI-Tracks über KI als neues ökonomisches Leitmotiv und die Zukunftschancen von KI-Gründungen.

© appliedAI
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Andreas, du kennst das KI-Ökosystem und die Startup-Szene in Deutschland so gut wie wenige. Wo stehen wir im internationalen Vergleich?

Wir haben in Deutschland eine hervorragende Ausgangssituation: Sehr viel Expertise in allen relevanten Bereichen, vielversprechende Technologien, eine einmalige Forschungslandschaft und vor allem viele wichtige Industrien für die KI zum neuen Paradigma werden kann. Aber wir stehen generell zu lange in den Startlöchern und diskutieren. Mit der Geschwindigkeit, mit der in Amerika oder China Lernende Systeme einführen, können wir noch nicht mithalten. Für mich ist das eine wirtschaftspolitische Schicksalsfrage. Unsere administrativen Prozesse und unsere Unternehmenskulturen sind noch zu sehr an der analogen Wirtschaft orientiert, was die Implementierungsgeschwindigkeit angeht. Das können wir uns auf Dauer nicht mehr leisten.

 

Du bist beispielsweise Mitglied der Plattform Lernende Systeme.  Was ist deine persönliche Empfehlung aus deiner Erfahrung daraus?

Die wichtigste Herausforderung ist meines Erachtens der Wandel der Mentalität bei allen Beteiligten des KI-Ökosystems:  Künstliche Intelligenz wird nicht als fertiges Produkt auf den Markt gebracht, sondern iterativ entwickelt und veredelt: Man startet mit einem einfachen und häufig wenig intelligenten Prototypen, der anhand von Daten und Erfahrungen ständig dazu lernt und erst durch neue Erkenntnisse und auch durch Fehlerkorrekturen wirklich gut wird. Lernende Systeme müssen lernen können und wir müssen ihnen die Möglichkeit dazu geben. Das heißt konkret: Unternehmen müssen bereit sein, Daten zur Verfügung zu stellen, mit denen externe Startups arbeiten können. Heute haben häufig Unternehmen Datenschätze und Startups oder Forschungseinrichtungen vielversprechende Technologien dazu. Die beste KI-Anwendung entsteht aber nur, wenn diese Ressourcen zusammengeführt werden. Wir müssen besser kooperieren, wenn wir bei KI-Technologien besser innovieren wollen. Diese „kulturelle Infrastruktur“ ist mindestens so wichtig wie die technologische.


Bei appliedAI sprecht ihr vom kommenden „Zeitalter der Künstlichen Intelligenz“. Wie sieht dieses Zeitalter aus und wie kommen wir da hin?

Um es auf eine einfache Formel zu bringen: Nimm eine beliebige Branche, Industrie oder Technologie, addiere die passende KI Technologie und du erhältst in der Regel einen Quantensprung an Geschwindigkeit, Planbarkeit, Kundenmanagement, Fehlervermeidung, Ressourceneffizienz, Vernetzung oder vielem mehr. KI ist eigentlich keine neue Technologie, sondern ein neues ökonomisches Paradigma. Und deshalb entscheidet unser Umgang mit ihr auch über unseren zukünftigen wirtschaftlichen Erfolg. Mein Wunschszenario für das KI-Zeitalter ist, dass die europäischen Volkswirtschaften mit ihrem vorhandenen Technologie- und Wissenskapital zu aktiven Gestaltern dieses Wandels werden – und wir können das schaffen, auch wenn es auf diesem Weg noch zahlreiche Herausforderungen gibt.

 

Du wirst selbst beim nächsten AHEAD-Bootcamp für Startups und Fraunhofer-Spinoff-Teams als Partner für den KI-Track dabei sein. Was können Startups für den Sprung ins KI-Zeitalter beitragen?

Startups sind organisatorisch wie geschaffen für Technologien, die als kleine Prototypen starten und sich schnell entwickeln müssen. Sie haben die extreme Lernkurve, die KI braucht, um gut zu werden. Sie können als „Enabler“ Nischen besetzen oder bestehende Funktionen im Unternehmen auf das nächste Level heben, als „Ergänzungsspieler“ für Produkte Zusatzdienste oder -funktionen entwickeln, bei der Unternehmen die Plattform zur Verfügung stellen. Sicher werden wir auch KI-Einhörner erleben, die bestimmte Märkte und Anwendungen neu definieren.

Bei AHEAD versuchen wir gemeinsam mit Fraunhofer Venture, aus den spannenden Technologien vieler Startups, Forscher und Entrepreneure erfolgreiche Geschäftsmodelle zu entwickeln. Jeder bringt ein, was er am Besten kann: Das AHEAD-Team die Nähe zur geballten Technologie-Expertise der Fraunhofer Gesellschaft, eines der größten und effektivsten DeepTech-Gründungsprogrammme in Europa und die Expertise von über 500 erfolgreichen Ausgründungen. Wir sind die größte europäische Initiative für die Anwendung von KI und werden außerdem Fach-Experten und Industrie-Kontakte aus unserem weltweiten KI-Netzwerk beisteuern. Darüber hinaus bringen wir natürlich auch das Wissen unserer Gesellschaft UnternehmerTUM ein, eines der größten europäischen Innovations- und Entrepreneurship Zentren.

 

Warum sollte ich als Experte, Entrepreneur oder Wissenschaftler gerade jetzt im Bereich KI gründen?

Ich frage mich manchmal eher, warum man nicht gründen sollte: Die Chance, als Startup mit einer KI-Anwendung erfolgreich zu sein, war nie höher, das Risiko, als Experte für KI arbeitslos zu werden, geht gegen Null, aber das Risiko, diese Entwicklung zu verpassen, weil man jetzt nicht durchstartet, ist relativ hoch. Gute KI-Anwendung kann mit hoher Wahrscheinlichkeit Sprunginnovationen für Unternehmen oder ganze Branchen auslösen und die Marktchancen sind entsprechend hoch. Meine Empfehlung: Setzt euch mit KI-Technologien auseinander, identifiziert Einsatzbereiche im Bereich eurer Expertise und überlegt euch die Gründung Es gibt genügend Programme, die euch dabei unterstützen –die Antwort zu euren Erfolgschancen und Optionen erhaltet Ihr nicht durch Fragen, sondern nur durch Machen.

 

Andreas wir danken dir für dieses Gespräch und freuen uns auf die Zusammenarbeit mit euch auf dem Bootcamp – und natürlich darüber hinaus!

 

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  • Und was das AHEAD-Programm für dich als Wissenschaftler, Entrepreneur, Experte, Investor oder Unternehmens-Experte bieten kann, erfährst du hier.