Bilanz und Ausblick: Die neue Transfer-Dynamik jenseits der Pandemie

Auch das Jahr 2021 stand für Fraunhofer Venture unter dem Vorzeichen der Pandemie, der weitgehenden Verlagerung unserer Arbeit ins Homeoffice, der ausfallenden Events mit unserer Community und der Kompromisse bei unseren Teamaktivitäten. Entscheidend waren aber nicht die Vorzeichen und Umstände, sondern die Art, wie unser Team, unsere ausgründenden Forschenden und die vielen Partner in unserem Deeptech Venture Ökosystem mit dieser Herausforderung umgegangen sind.

© Fraunhofer Venture
Das Team von Fraunhofer Venture

Im vergangenen Jahr standen wir, jeder einzelne und jede Familie vor der Herausforderung, spontan auf pandemische Entwicklungen reagieren zu müssen und sehr schnell neue Organisationsformen für das persönliche Umfeld und die tägliche Arbeit zu finden. Der entscheidende Motor für wachsende Transferaktivitäten, Ausgründungen und neue, innovative Geschäftsmodelle waren auch im Jahr 2021 mutige Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, ein unglaublich engagiertes Fraunhofer Venture Team, unsere Unterstützer innerhalb der Fraunhofer-Gesellschaft und aus dem Deeptech-Ökosystem. Die vielen positiven Rückmeldungen unserer Stakeholder bestätigen dies.

Dieses Engagement ist auch die Schubkraft hinter den Ergebnissen für das Jahr 2021: wir haben die Zahl der Ausgründungen im Krisenjahr 2020 im Vorjahresvergleich konstant halten können – im Jahr 2021 werden wir die Zahl der Spin-offs, Kooperationen und der beteiligten Institute noch einmal steigern. Bereits 2020 wurde jede 2. Woche ein Start-up auf Basis von Fraunhofer-Technologie ausgegründet. Diese Schlagzahl werden wir im laufenden Jahr weiter erhöhen.

Die Perspektive, aus der Wissenschaft heraus neue Unternehmen zu gründen, gewinnt selbst in diesen schwierigen Zeiten weiter an Attraktivität unter den Forschenden und zeigt, dass der Transfergedanke immer mehr zum Teil der Fraunhofer-Kultur wird.

 

New Venture Normal: Die neue Qualität von Fraunhofer-Ausgründungen

Im vergangenen Jahr wurde eine weitere Entwicklung offensichtlich, die langfristig betrachtet noch bedeutender sein dürfte als die Ergebnisse nach Ausgründungszahlen: Fraunhofer-Spin-offs wachsen in vieler Hinsicht in eine neue qualitative Dimension. Immer mehr Gründerteams starten immer früher konkrete Produkte und Anwendungen in ihren Zielmärkten. Die Investitionssummen in Spin-offs der Marke Fraunhofer steigen durchschnittlich pro Investitionsrunde an und Finanzierungen können insgesamt schneller abgeschlossen werden. Der Kreis der Investoren erreicht inzwischen internationale Dimensionen, auch weil sich Fraunhofer Venture als professionelle Ausgründungsabteilung und Brückenkopf zu den Technologien von Morgen bei den relevanten Stakeholdern etabliert hat. Zusätzlich zur Strahlkraft der Marke Fraunhofer als Garant für anwendungsnahe Spitzenforschung wächst die Reputation bei Investoren, Start-ups und Partnern auf Industrieseite und damit unser Netzwerk im Deeptech-Ökosystem.

Das Fraunhofer-Spin-off NexWafe konnte beispielsweise kürzlich ein strategisches Investment mit einem indischen Großinvestor abschließen, der gezielt in Zukunftstechnologien wie die Fertigung neuartiger Wafer für Photovoltaik-Anlagen investiert. Für NexWafe erschließt diese Partnerschaft einen der wichtigsten Märkte der Schwellenländer und sichert zugleich Rückflüsse für die Fraunhofer-Gesellschaft und das Fraunhofer ISE. Das Investment zeigt außerdem, dass Technologie aus der Forschung nicht nur für wirtschaftliches Wachstum sorgen kann, sondern auch ein Kernelement bei der Lösung unserer klimatechnischen Herausforderungen darstellt, Indiens grüne Energiewende beschleunigen und das Land als weltweit führenden Anbieter in der Photovoltaik-Produktion positionieren kann.

Auch das Spin-off Sunbloom Proteins GmbH, eine Ausgründung des Fraunhofer IVV, die aus einem Nebenprodukt bei der Ölgewinnung ein hochfunktionales Proteinpulver prozessieren kann, steht für die wachsende internationale Skalierung junger Unternehmen, die Fraunhofer-Technologie kommerzialisieren. Sunbloom hat dieses Jahr eine erste Produktionsstätte in Ungarn errichtet und erschließt damit nicht „nur“ einen weiteren Standort mit der Unterstützung namhafter Investoren, sondern auch den Zukunftsmarkt für fleischlose Ernährungsalternativen.

Wenn Start-ups wie NexWafe, Sunbloom und viele weitere engagierte Gründerteams in neue Dimensionen vorstoßen, müssen auch unsere Venture-Tandems bisweilen Neuland betreten und neue Wege gehen – alle unsere Spin-offs haben im vergangenen Jahr auch diese größeren Herausforderungen meistern können – und damit auch die Juristen und Investment-Manager, die sie als Tandem auf diesem Weg begleitet haben.

Wir wachsen an neuen Aufgaben mit, wie auch ein weiteres Pionierprojekt aus unserem Team zeigt: Das Fraunhofer Venture CoLab konnte bereits im ersten Jahr seiner Tätigkeit rund 20 Kooperationen zwischen Spitzenforschung und Start-ups erfolgreich umsetzen. Kooperationen wie Turfcoach, Argos und viele weitere zeigen eindrucksvoll, wie gut sich Deeptech aus der Forschung und agiler Unternehmergeist gegenseitig ergänzen und beflügeln können.

 

Ausblick 2022: Vom Market-Push zum Market-Pull für Fraunhofer-Technologien

Die Bilanz für das vergangene Jahr 2021 ist vor allem ein positives Versprechen auf die kommenden Jahre, das auch weitere Schubkraft durch eine Anpassung des politischen Rahmens erhalten könnte. Unser Beitrag für das weitere dynamische Wachstum von Fraunhofer-Ausgründungen in quantitativer und qualitativer Hinsicht gliedert sich in drei strategische Initiativen:

1. Ausbau des Rahmens für eine Transfer-Kultur: Über die vergangenen Jahre haben wir gemeinsam mit unseren Ansprechpartnern im BMBF die Rahmenbedingungen für Ausgründungen kontinuierlich vereinfacht und gründungsfreundlicher ausgestaltet. Ein Neustart mit einer neuen Regierung wird auch hier Möglichkeiten für Beschleunigung und damit auch der Erschließung des technologischen Potenzials der angewandten Forschung eröffnen. Bereits in diesem Jahr haben wir die Ausgründungsprämie vereinfacht und angepasst, um den Transferweg über Spin-offs für Fraunhofer-Institute noch attraktiver zu gestalten.

2. Weitere Stärkung unserer Company-Building Architektur: Ausgründungen haben sich in den vergangenen Jahren immer mehr als Institution innerhalb der Fraunhofer-Gesellschaft etabliert. Unser Team konnte vielfältige Erfahrungen sammeln, Routinen entwickeln und viele neue Kompetenzen aufbauen, beispielsweise bei Joint Ventures, der Unterstützung beim Aufbau des internationalen Geschäfts von Fraunhofer-Spin-offs oder bei Börsengängen. Auf dieser Basis wollen wir in Zukunft aufbauen und unsere eigene Perspektive anpassen. Die Fraunhofer-Gesellschaft verfügt über einen europaweit einzigartigen Technologie- und Wissenspool und vielfältige Chancen der unternehmerischen Verwertung. Um diese Möglichkeiten für Gründende und Institute noch besser zu erschließen, werden wir in Zukunft Märkte und Chancen für Technologien noch intensiver analysieren, Verwertungsmöglichkeiten frühzeitig identifizieren und Fraunhofer-Know-how noch effektiver für die Lösung von Anwendungsproblemen weltweit einsetzen. Die Sustainable Development Goals (SDGs) der Vereinten Nationen werden bei dieser Entwicklung von Market-Push zum Market Pull eine zentrale Rolle spielen.

3. Venture-Team-Entwicklung: Das qualitative und quantitative Wachstum der Fraunhofer-Ausgründungen verlangt auch von uns permanentes Lernen und kontinuierliche Veränderung. Vieles werden wir im Team schultern, einiges werden wir durch gezieltes Recruiting ins Team einbringen und neben der Teamstärke auch unser Kompetenzportfolio weiter vervielfältigen. Die Konkurrenz um kompetente Experten mit unternehmerischem Mind-Set ist gewaltig, aber das Potenzial von Ausgründungen aus der Forschung ein einzigartiges Versprechen auf die Zukunft, dass wir mit weiteren Köpfen und Kompetenzen für unser Team einlösen möchten.

Unser 20-jähriges Jubiläum als professionelle Ausgründungsabteilung stand im Jahr 2021 unter dem Motto »20 Years adVenture«. Diese 20 Jahre voller neuer Herausforderungen, effektiver und manchmal unkonventioneller Lösungen und vielfältiger Lernmomente haben uns gezeigt, dass die Zukunft nie völlig berechenbar ist, aber gestaltbar für alle, die nicht aufhören, sich selbst zu verändern, um mit neuen Entwicklungen Schritt zu halten. In diesem Sinne könnte »20 Years adVenture« auch unser Motto für die Zukunft sein.

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