Startvorteil Fraunhofer: Berater-Tandems als Enabler für Ausgründungsteams
Fraunhofer-Ausgründungen verbinden das Beste aus der Welt der Spitzenforschung mit der agilen, experimentierfreudigen Kultur von Start-ups. Die Tandems aus Juristen und Investment-Managern agieren als Brückenbauer und Wegbereiter zwischen diesen Welten – und sind in beiden zuhause. Wir sprachen mit der Juristin Karola Bachelin und dem Betriebswirt Patrick Schmitt über Ausgründungen mit Tandem-Unterstützung.
Karola, du gehörst zu den Pionieren bei Fraunhofer Venture und hast die Abteilung vor bald 20 Jahren mit aus der Taufe gehoben. Wie hat sich Venture seitdem verändert und was habt ihr deiner Meinung nach bewirkt?
Im Grunde genommen sind wir damals selbst als eine Art Start-up gestartet. Als das kleine Team um Thomas Doppelberger vor rund 20 Jahren die Arbeit aufgenommen hat, hatten wir einen klaren Bedarf nach einer Professionalisierung bei den Ausgründungen der Institute identifiziert, es gab aber nicht wirklich Vorbilder bei den großen Forschungseinrichtungen. Wir haben also vieles „learning by doing“ entwickelt, mussten selbst vieles ausprobieren und möglichst schnell an unseren Projekten lernen. Eine wichtige Erkenntnis war, dass es „die Ausgründung“ als Standard gar nicht gibt. Jedes Team und jedes Projekt sind anders und man wird ihnen nur gerecht, wenn man Werkzeuge entwickelt, mit denen man einen maßgeschneiderten Ausgründungsprozess gestalten kann. Mit der vielfältigen Erfahrung, die unser Team einbringt, haben wir inzwischen über 500 Ausgründungen begleitet.
Ich glaube, dass damit auch ein interner kultureller Wandel bei Fraunhofer eingesetzt hat. In der Anfangszeit von Fraunhofer Venture waren Spin-offs extravagant und die Haltung vieler Institute eher skeptisch, weil mit Ausgründungen ein Verlust von Wissenschaftlern verbunden wurde. Das ist heute anders. Wir werden aktiv als Berater angefragt oder zu internen Veranstaltungen eingeladen, um Wissenschaftlern die Ausgründung als Verwertungspfad näher zu bringen. Das zeigt meiner Meinung nach, dass Ausgründungen und Transferdenken inzwischen als Mehrwert für die Institute wahrgenommen werden.
Patrick, du bist von einem Start-up auf die Seite der Investoren und Ausgründungsberater gewechselt. Wie hast du den Weg auf die andere Seite erlebt?
Ich habe tatsächlich nach meinem wirtschaftswissenschaftlichen Studium mit Schwerpunkt Logistik und Supply Chain Management ein Tech-Start-up mit aufgebaut. Nach der intensiven und herausfordernden Zeit als CFO war ich neugierig auf das Arbeiten in einer großen Forschungsorganisation, aber auch skeptisch. Es stellte sich allerdings bereits nach ein paar Tagen heraus, dass ich mich kulturell gar nicht so viel umstellen musste: Meine Arbeit begann gleich mit einem „Sprung ins kalte Wasser“ auf den F-Days, dem Vorläufer des heutigen AHEAD-Bootcamps. Wie im Start-up musste ich gleich zu Anfang meine eigene Rolle selbst interpretieren, spontan Lösungen finden und im Team mit den Venture-Kollegen und Fraunhofer-Gründern Business-Pläne, Roadmaps und Marktanalysen entwickeln. Man hat gespürt, dass hier Leute mit Begeisterung und vollem Einsatz mit faszinierender Technologie neue Unternehmen voranbringen wollen. Das macht Spaß und inspiriert hoffentlich auch unsere Gründungsteams.
Start-up und Spitzenforschung: Ihr verkörpert als Tandem quasi das gesamte Spektrum an Kompetenzen, die eine Ausgründung aus der Forschung braucht. Wie profitieren die Spin-off-Teams davon, die ihr betreut?
Karola: Genau das ist unser Job als Betreuertandem: Die Spin-off-Teams mit dem gesamten Spektrum an notwendigen Kompetenzen begleiten und wenn nötig Kollegen einzubinden, die zusätzliche Expertise haben. Für uns ist es Routine, in einer komplexen Doppelrolle zu arbeiten und Brücken zwischen der Welt der Forschung und Technologie und dem agilen Umfeld der Start-ups und Märkte zu bauen. Das ist nicht immer einfach, aber meiner Meinung nach extrem lohnend. Gründungen aus dem Hightech- und Deeptech-Bereich sind per se komplexer und langwieriger als bei einfachen digitalen Anwendungen, weil mehr Stakeholder beteiligt sind, viele unterschiedliche Interessen ausgeglichen und Lizensierungsmodelle entwickelt werden müssen. Dafür haben Ausgründungen aus der Fraunhofer-Gesellschaft einen natürlichen Start-Vorteil: Wenig andere Start-ups treten in technologisch-anspruchsvollen Nischen an und können auf so viel Tech-Expertise zurückgreifen. Das ist für mich ein Grund, warum Ausgründungen bei Fraunhofer eine weit höhere Erfolgsquote haben, als andere. Mehr als 90% unserer Ausgründungen sind nach drei Jahren noch am Markt, einige der übrigen sind aufgekauft worden.
Patrick: Ich sehe noch einen weiteren Vorteil für Ausgründungen aus der Spitzenforschung. Der Aufwand und die Komplexität sind zwar zu Beginn höher, weil wir es uns zur Aufgabe machen bis zur Gründung möglichst alle offenen Baustellen in einem für alle Akteure gewinnbringenden Modell abzubilden. Damit machen wir den Weg frei für Start-ups und bereiten einen unkomplizierten Markteintritt vor. Nach der Gründung soll das Unternehmen und dessen Wachstum mit Mittelpunkt des Geschehens stehen. Wir nehmen den Spin-off-Teams Komplexität in Rechts- und Geschäftsmodell-Fragen ab. Hightech-Gründungen und deren Product-Market-Fit werden immer besonders anspruchsvoll sein. Umso besser ist es meiner Meinung nach für Gründerinnen und Gründer, wenn sie ein Inhouse-Berater-Tandem an der Seite haben, das sie durch diese speziellen Herausforderungen begleitet und navigiert.
Viele Start-ups müssen aktuell zusätzlich zur Herausforderung der Gründung auch die teils massiven Auswirkungen der Pandemie bewältigen. Wie unterstützt ihr Ausgründungsprojekte in der Krise?
Karola: Indem wir das ganze Arsenal an Möglichkeiten ausschöpfen, dass wir unseren Start-ups bieten können und das sind nicht wenige. Fraunhofer-Ausgründungen basieren auf einem Konsens aller Beteiligten und davon können unsere Spin-off-Projekte in Krisenzeiten profitieren, weil alle den gemeinsamen Erfolg wollen. Bei uns gibt es keine schnellen Gewinnmitnahmen, sondern längerfristige Interessen. In den letzten Monaten haben wir mit betroffenen Teams intensiv zusammengearbeitet und die Modalitäten an die aktuelle Situation angepasst. Wir konnten beispielsweise Lizenzvereinbarungen so flexibel gestalten, dass Start-ups trotz Corona erfolgreich starten konnten und bis heute kein einziges Ausgründungsprojekt von Fraunhofer-Venture pandemie-bedingt aufgeben musste.
Patrick: Ein konkretes Beispiel hierzu: Eines unserer vielversprechenden Berliner Teams aus dem Bereich des dezentralen Engineerings hat Ende 2019 gegründet, also direkt in die aufkommende Pandemie hinein. Die zahlreichen Investoren, die sich vor der Krise beteiligen wollten, sind fast alle abgesprungen und haben sich auf Investments in ihr bestehendes Portfolio zurückgezogen. Wichtige Pilot-Kunden haben Investitionen gestrichen und Aufträge zurückgezogen, obwohl die Technologie ihnen große Vorteile gebracht hätte. Uns allen war aber klar, dass Team, Technologie und Geschäftsmodell große Erfolgschancen haben und diese mittelfristig auch werden realisieren können. Wir haben dann in einer Art Task-Force mit dem Gründer-Team alternative Finanzierungsmöglichkeiten über verschiedene interne und externe Förderprojekte erarbeitet und konnten zudem ein Wandeldarlehen eines namhaften Investors einwerben. Wir glauben an das Team und das Geschäftsmodell – und inzwischen gibt uns der Markt recht. Trotz der schwierigen Zeiten ist es der Geschäftsführung gelungen, nun neue Aufträge und weitere Investoren zu gewinnen. Es könnte sogar sein, dass dieses Spin-off am Ende gestärkt aus der Krise hervor geht, weil es eine smarte Möglichkeit der Digitalisierung von Prozessen bietet, also Teile der Produktion krisenfester macht. Dieses Beispiel zeigt: Der Rahmen ist bei Ausgründungen vorgegeben, aber entscheidend ist die Interpretation und die flexible Ausgestaltung in Abhängigkeit der aktuellen Bedarfe.
Karola und Patrick: Vielen Dank für eure Zeit und dieses Gespräch.
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