Das Start-up mecorad entwickelt mit Fraunhofer ein Radarsystem für die Stahlumformung

Industrie 4.0, die vierte industrielle Revolution, stieß in der Stahlindustrie bisher an scheinbar natürliche Grenzen: In den Werken war der Einsatz von exakter Sensorik für die smarte Produktion bei Temperaturen über 1.000 Grad bislang nahezu unmöglich. Das Startup mecorad will das mit Hilfe von Fraunhofer-Technologie und Expertise jetzt ändern und hat eine solche Lösung in den Markt eingeführt.

© mecorad GmbH
v. l.: Cagdas Ünlüer (CTO & Gründer), Andreas Heutz (Technical Lead & Gründer) und Dr. Marc Banaszak (CEO & Gründer)

Die Stahlindustrie steht weltweit vor einer mehrfachen Transformationsherausforderung: Trotz des immer weiter wachsenden Bedarfs an hochwertigem Stahl und den immer ausgefeilteren Produktionssystemen schien ausgerechnet das Herzstück der Stahlwerke, die Umformung der Werkstoffe aus der Zeit gefallen zu sein: Temperaturen über 1.000 Grad, Dampf, Erschütterungen und Funkenflug ließen bisher kein akkurates und zeitnahes Management der eigentlichen Umformprozesse zu, weil herkömmliche Sensoren keine verlässlichen Monitoring-Ergebnisse während der Produktion liefern konnten. Das Kernelement der Stahlproduktion blieb eine Blackbox, die kaum Kontrolle und Einflussnahme auf den laufenden Formungsprozess zuließ und eine technische Barriere für die vernetzte Produktion im Rahmen der Industrie 4.0 bildete – mit einschneidenden Folgen für die Stahlproduzenten: Selbst kleinste Änderungen des Milieus in den Werken können im hochsensiblen Stahl-Verarbeitungsprozess zu Fehlern und beträchtlichem Ausschuss führen. Die Verluste durch Verarbeitungsfehler belaufen sich heute in einem durchschnittlichen Bandwalzwerk auf mehrere Millionen Euro pro Jahr.

Die zweite Zukunftsherausforderung der Stahlindustrie ist der hohe Energieverbrauch und Co2-Ausstoß, der sich angesichts der immer rigideren Klimapolitik langfristig zu einer Schicksalsfrage auswachsen könnte. Eine Effizienzsteigerung durch eine durchgehende, exakte Produktionsüberwachung und -Steuerung könnte demnach nicht nur das systemische Problem der Digitalisierungsbarriere in der Produktion lösen, sondern würde den CO2-Fußabdruck der energieintensiven Stahlindustrie signifikant reduzieren.

High-Tech und Unternehmergeist: Fraunhofer als Kooperationspartner

Gute Ideen entstehen im Team, gute Technologien im Ökosystem – so könnte man die noch junge Unternehmensgeschichte des Start-ups mecorad beschreiben. Als Dr. Marc Banaszak, erfahrener Gründer, Technologie-Unternehmer und Start-up Coach, Cagdas Ünlüer und Andreas Heutz, beide erfahrene Experten aus der Industrie, erstmals das jahrzehntealte Problem der fehlenden Digitalisierung der kritischen Bereiche der Stahlproduktion diskutierten, war die Idee eines Monitorings per Radartechnologie eher Gedankenexperiment – aus dem sich mit den richtigen Partnern relativ schnell ein neuartiger technischer Lösungsweg und ein vielversprechendes Geschäftskonzept heraus kristallisierte. Ünlüer und Heutz hatten vielfältige Erfahrungen mit Digitalisierung, Sensorik und Automatisierung im industriellen Einsatz gesammelt, der Entrepreneur Marc Banaszak erkannte schnell, welche Chancen eine Datafizierung der Walzprozesse barg. Gemeinsam trieb das Team die technische Validierung voran, entwickelte erste Geschäftskonzepte und startete 2018 als Spin-off der Technischen Hochschule Köln, um die „Radartechnologie für Stahlwerke“ marktreif zu entwickeln. Mittlerweile sind erste Lösungen bei Kunden in Betrieb genommen worden und unterstützen aktiv den Produktionsprozess.

Radar für die intelligente Stahlproduktion

Die Basis der mecorad-Technologie sind IoT-Lösungen auf Radarbasis, die das glühende Metall in den Prozessen multidimensional vermessen, ohne selbst direkt mit dem Millieu in Berührung zu kommen. Auf diese Weise können Stahlformen bereits während der Herstellung submilimetergenau erfasst werden. Die Produktqualität lässt sich so deutlich erhöhen und Materialverluste werden drastisch reduziert. Damit adressiert die mecorad-Lösung auch die zweite gravierende Herausforderung der Stahlindustrie: Durch eine effizientere, vernetzte Produktion liessen sich allein in den Flachwalzwerken in der EU rund 2,5 Millionen Tonnen CO2 einsparen. Neben den unmittelbaren Effekten löst die mecorad-Technologie ein systemisches Industrieproblem: Mit der Radarsensorik kann auch das „Missing link“ der Produktion, die Walzprozesse, datafiziert werden und ermöglicht ein durchgehendes digitales Management während der gesamten Herstellung. Die gewonnenen Daten eröffnen der Stahlindustrie mittelfristig viele weitere Optimierungspotenziale. So könnten beispielsweise Fehler, Interferenzen und Störungen mittels Künstlicher Intelligenz automatisch identifiziert und im laufenden Prozess in Echtzeit korrigiert werden.

CoLab: Fraunhofer als strategischer Partner für Start-ups

High-tech-Gründungen wie mecorad sind innovativ, experimentierfreudig und schnell, verfügen aber selten selbst über alle Ressourcen, die für die Marktreife komplexer Technologien notwendig sind. TechBridge, das Vorläuferprogramm des kürzlich gestarteten Fraunhofer Venture CoLab, fungierte für das mecorad-Team als Bindeglied, Türöffner und Koordinator innerhalb der Fraunhofer-Gesellschaft und unterstützte eine ausgewogene Partnerschaft, vor allem mit dem Fraunhofer-Institut für Werkzeugmaschinen und Umformtechnik IWU. Durch die Kooperation mit Fraunhofer konnte mecorad die Entwicklungszeit bis zur Marktreife deutlich verkürzen und sich einen Vorteil für den Start verschaffen. Die Partnerschaft wurde mit einem pre-seed Investment des Fraunhofer-Technologie-Transfer-Fonds (FTTF) flankiert. Für Marc Banaszak, heute CEO der mecorad GmbH, waren nicht nur der Zugang zu High-Tech-Expertise und einer vielfältigen Forschungs- und Erprobungs-Infrastruktur entscheidend, sondern auch die professionelle Begleitung durch das CoLab-Vorgänger-Programm: "TechBridge von Fraunhofer Venture war für uns ein wertvoller Enabler und Navigator für die Kooperation mit Fraunhofer, einem sehr guten Experten-Ökosystem für unser Start-up. Das Team hat uns hochprofessionell und effektiv unterstützt und uns eine gute Startposition verschafft."

Die Radartechnologie bietet weit über Stahlwerke hinaus viele weitere potenzielle Anwendungsmöglichkeiten für kritische Industrieprozesse – und für die Fortführung der erfolgreichen Partnerschaft zwischen der Fraunhofer Gesellschaft und mecorad.

 

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