Fraunhofer Spin-off E-VITA: Joint Venture als Erfolgsmodell

Forschung und Unternehmen können sich gegenseitig beflügeln, wenn Zukunftstechnologien zur Marktreife gebracht werden sollen – gerade am forschungsintensiven und mittelstandgeprägten Standort Deutschland. Mit E-VITA startete Anfang Juni 2021 ein Fraunhofer Spin-off den Betrieb, das genau diesen Weg eingeschlagen hat: E-VITA ist ein Joint Venture des Fraunhofer-Institut für Organische Elektronik, Elektronenstrahl- und Plasmatechnik (FEP) und der Ceravis AG, einem führenden Unternehmen der Saatgutbehandlung – und bringt eine Technologie auf den Markt, die der Saatgutindustrie völlig neue Perspektiven erschließen könnte.

© E-VITA GmbH
E-VITA bietet innovative Technologien und modernste Anlagentechnik für ein sicheres Verfahren

Die Entkeimung von Saatgut ist ebenso essentiell wie kostspielig für die Nahrungsmittelversorgung – und gerade die Kosten waren ein entscheidendes Motiv für die die Entwicklung der Technologie, die das Fraunhofer-Start-up E-VITA in diesem Jahr auf den Markt bringen wird: Während der deutschen Teilung war die DDR auf Importe von chemischen Grundstoffen für die Herstellung von schonenden Entkeimungsmitteln gegen harte Devisen angewiesen, weil die etablierten, aber gesundheitsgefährdenden, quecksilberhaltigen Produkte ersetzt werden sollten. Deshalb wurde bereits seit 1982 eine Technologie erforscht, die statt der chemischen Beizung von Getreidesaatgut ein physikalisches Verfahren einsetzte. Mit diesem Verfahren wird Saatgut kurzzeitig einem exakt eingestellten Elektronenstahl ausgesetzt, der Keime abtötet, ohne das Saatgut zu verändern oder Rückstände zu hinterlassen.

Die Forschung wurde in den 80er Jahren intensiviert, bis die Maueröffnung chemische Beizmittel wieder für alle landwirtschaftlichen Betriebe erschwinglich machte. Die Pionierarbeit der einstigen Forschungsinstitute schien damit zunächst obsolet – doch langfristig sollte sie sich auszahlen.

Keimzelle des Erfolgs: Joint Venture aus der Forschung

E-VITA bietet heute zwei Varianten der Saatgutentkeimung an: Mobile Anlagen, die von landwirtschaftlichen Betrieben für die Anwendung direkt vor Ort gemietet werden können und die Entkeimung in Anlagen bei zentral gelegenen Saatgutproduzenten, die die Behandlung vor der Auslieferung an die Anbaubetriebe durchführen.

Das E-VITA-Verfahren reduziert dabei mittelfristig die Kosten für die Getreidebehandlung und hat das Potential, den Düngebedarf erheblich zu senken. Das Verfahren kann so bedeutende Beiträge zum Erreichen der Ziele des EU Green Deal und der Farm2Fork-Strategie leisten. Ökologische Folgekosten durch chemische Emissionen – ein wachsendes Problem in der Landwirtschaft – entfallen mit dem physikalischen Verfahren von E-VITA sogar vollständig.

Die Technologie, für die E-VITA heute steht, sorgt nicht nur für die zuverlässige Entkeimung, sondern ermöglicht durch zusätzliche Anwendungen sogar die Anreicherung mit hilfreichen Mikroorganismen und fördert die Nährstoffaufnahme der Pflanzen nach der Keimung.

Schon heute werden in Mecklenburg-Vorpommern circa 20.000 Tonnen Getreide und Eiweißfrüchte im E-VITA- und E-VITA plus-Verfahren behandelt – das entspricht einem Nutzungsanteil von über 25 % in der Region. Seit Einführung des Verfahrens wurden so über 1,2 Mio Hektar mit E-VITA-behandeltem Saatgut bestellt. Im Jahr 2022 wird E-VITA eine weitere Großanlage in Mitteldeutschland in Betrieb nehmen, die rund 12.000 Tonnen Getreidesaatgut jährlich behandeln kann.

Mittelfristig will das Joint Venture rund 50% des deutschen Marktes für die Getreideentkeimung erschließen und in weitere europäische Märkte expandieren. Beträchtliches Wachstumspotenzial lassen auch vielversprechende Versuche in anderen Staatgutbereichen erwarten, etwa im hochpreisigen Segment für Premium-Gemüse. »Wir werden fast wöchentlich mit neuen Anwendungsmöglichkeiten für unsere schonende und nachhaltige Entkeimungstechnologie überrascht«, meint André Weidauer, ehemaliger Projektleiter am Fraunhofer FEP, und heutiger Geschäftsführer von E-VITA.

Aus der erfolgreichen Forschung ins (gemeinschaftliche) Unternehmen

Die emissionsarme und wirtschaftliche Technologie wurde am Fraunhofer FEP über viele Jahre von unabhängigen Bundes- und Landeseinrichtungen und später gemeinsam mit der Nordkorn Saaten GmbH (heute Ceravis AG) als Industriepartner erprobt. Bereits während dieser Testphase zeichnete sich ab, dass eine erfolgreiche Markteinführung des neuartigen Verfahrens sowohl die Technologie- und Forschungsexpertise des Fraunhofer FEP als auch die Kundennähe und gewachsene Vertriebsstärke eines etablierten Unternehmens benötigen würde – die Idee einer gemeinsamen Unternehmung, die diese beiden Kräfte verbinden würde, stand lange vor der Gründung von E-VITA im Raum, der Schritt in diese auch für Fraunhofer relativ neue Form der Ausgründung als Joint Venture verlangte jedoch von allen Beteiligten, neue Lösungen zu finden. André Weidauer entschied sich als leidenschaftlicher Forscher erst nach längerem Abwägen für den Schritt in die eigene unternehmerische Zukunft, entwickelte dann aber gleich ein Konzept für eine Ausgründung zusammen mit der Ceravis AG, das auch die Institutsleitung überzeugte.

Joint Ventures aus der Forschung: Ein Modell mit Zukunft

Das Joint Venture E-VITA steht nicht nur für einen neuen Verwertungspfad für Technologien aus der Forschung, sondern könnte zur Blaupause vieler möglicher partnerschaftlicher Unternehmen werden. Gut konzipierte Joint Ventures führen die meisten notwendigen Kompetenzen für die Entwicklung und Vermarktung von neuen Hightech-Anwendungen zusammen und verbinden Forschung und Anwendung nahtlos und häufig auf Basis bestehender und bewährter Netzwerke und Kooperationen.

Ein Joint Venture stellt häufig nur den nächsten Schritt einer erfolgreichen Zusammenarbeit dar, dem weitere folgen werden. Der neue Firmensitz, den das E-VITA Team, gerade bezogen hat, befindet sich in unmittelbarer Nähe zum Fraunhofer FEP und garantiert auch für die Zukunft eine unkomplizierte Zusammenarbeit zwischen Forschung und Anwendung, von der Institut und Industriepartner gleichermaßen profitieren.

Möglich wurde diese neuartige Form der Ausgründung durch die konsequente Unterstützung der Institutsleitung und das eingespielte Management seitens der Experten von Fraunhofer Venture. Das Berater-Tandem aus Jurist und Investment-Manager begleitete Gründende und Institut ab dem ersten Anruf durch die gesamte Gründungsphase, setzte Verträge auf, verhandelte Positionen mit den Partnern und begleitete das junge Unternehmen bei der strategischen Entwicklung.

»Ohne diese Unterstützung wäre die Ausgründung als Joint Venture definitiv nicht möglich gewesen«, sagt André Weidauer heute. »Gerade junge Unternehmen aus der Forschung brauchen Partner, die ihnen den Rücken freihalten und durch die juristischen und betriebswirtschaftlichen Herausforderungen einer Gründung navigieren, sonst wird das gesamte Vorhaben blockiert«. Langfristig solle die physikalische Entkeimung der Joint Venture aus Forschung und industrieller Verwertung zum bedeutendsten Verfahren am Markt werden.