Tandem-Interview Andreas Aepfelbacher und Thomas Meyer

Globales Investment mit Impact: Hintergründe zum Einstieg eines strategischen Investors beim Fraunhofer Spin-off NexWafe

Das Fraunhofer Spin-off NexWafe GmbH hat ein bahnbrechendes Verfahren für die Herstellung von Silizium-Wafern entwickelt und wurde dafür vielfach ausgezeichnet, zuletzt mit dem Fraunhofer Gründerpreis. Mit der neuartigen Kerfless-Wafer-Technologie, die am Fraunhofer ISE entwickelt wurde, können Solarwafer, die zentralen Bestandteile von Photovoltaik-Modulen, mit einem Bruchteil des bisher notwendigen Energie-, Material- und Kapitalaufwands hergestellt werden. Kürzlich konnte das junge Unternehmen den Einstieg von Reliance New Energy Solar Ltd, dessen Mutterkonzern eines der nach Marktkapitalisierung größten indischen Unternehmen ist, als strategischen Investor verkünden und sich eine beträchtliche Investitionssumme für seine internationale Expansion sichern. Wir sprachen mit Andreas Aepfelbacher und Thomas Meyer, die den Deal für den NexWafe-Gesellschafter Fraunhofer begleitet haben.

Das Betreuer-Tandem Thomas Meyer (Jurist) und Andreas Aepfelbacher (Stellv. Leiter & Sachgebietsleiter Investment Manager)
© Fraunhofer Venture
Das Betreuer-Tandem Thomas Meyer (Jurist) und Andreas Aepfelbacher (Stellv. Leiter & Sachgebietsleiter Investment Manager)

Andreas und Thomas, ihr habt als Berater-Tandem das bislang größte strategische Investment bei einer Fraunhofer-Ausgründung unterstützt. Wie kam der Deal zustande?

Andreas: NexWafe hat schon zur Gründung ein Problem adressiert, das heute mit dem wachsenden Bewusstsein für endliche Rohstoffe und Klimaschutz auf der allgemeinen Agenda angekommen ist: Wir müssen Fertigungsprozesse so effizient, rohstoff- und emissionsarm wie möglich gestalten und viele etablierte Verfahren ersetzen. NexWafe arbeitet an einer neuen Fertigungsweise für die Produktion von Silizium-Wafern, einem Kernelement von Photovoltaik-Anlagen, also einer Schlüsseltechnologie für die kommenden Jahrzehnte. Das etablierte Verfahren wurde in den vergangenen 30 Jahren kaum verändert, verursacht einen beträchtlichen Teil der Herstellungskosten und ist zudem wenig effizient, weil bei der Produktion sehr viel Ausschuss und Reststoffe entstehen. Rund 40% der Herstellungskosten eines Solarmoduls entfallen auf die Silizium-Wafer.

Das NexWafe-Verfahren könnte diese Kosten drastisch reduzieren und damit ein weiteres Hemmnis beim Ausbau der Photovoltaik als Energiequelle der Zukunft beseitigen. Neben der Technologie war für uns das Gründungsteam um Stefan Reber, Frank Siebke und Kai Schillinger sowie die Erfahrung des Fraunhofer ISE ausschlaggebend für unser Engagement als Berater und Investor. Wir arbeiten mit dem ISE seit vielen Jahren eng zusammen und wissen, wie wir das Team und das Institut effektiv unterstützen können. Das ermöglicht eine fast intuitive und professionelle Zusammenarbeit, bei der alle Beteiligten ihre Kernkompetenzen ohne unnötige Reibungsverluste einbringen können.

Thomas: Für uns ist das Besondere am aktuellen Investment auch die langfristige globale Perspektive für NexWafe und damit für Fraunhofer als Technologie- und Wissensquelle: Photovoltaik hat sehr großes Potenzial in Schwellenländern, das mit niedrigeren Herstellungskosten von Solarmodulen besser erschlossen werden kann. NexWafe setzt an der Kostenschraube an und ermöglicht gleichzeitig eine wesentlich bessere Klima- und Rohstoffbilanz in der Herstellung. Auf den Energiemärkten der Schwellenländer könnte die NexWafe-Technologie der Photovoltaik weiter zum Durchbruch verhelfen und so den nötigen Ausstieg aus der Verstromung fossiler Brennstoffe deutlich beschleunigen. Fraunhofer-Technologie löst hier nicht nur ein technisches Problem, sondern schafft auch erheblichen volkswirtschaftlichen Nutzen – und das auf sehr klimafreundliche Weise. Dieser Mehrfachnutzen ist eine genuine Perspektive für Technologien und Unternehmen aus der Forschung.

Mit Davor Sutija übernahm vor rund einem Jahr ein ausgewiesener Experte für Technologieunternehmen und globale Expansion die Position als CEO bei NexWafe. Der Einstieg von Reliance New Energy Solar Ltd als strategischer Hauptinvestor bei NexWafe ist ein weiteres starkes Signal für den Ausbau regenerativer Energien, die natürlich gerade in Indien immense Wachstumschancen haben.

Wie ist die Fraunhofer Gesellschaft bei NexWAFE beteiligt?  

Andreas: Die Anfänge von NexWafe sind vergleichsweise typisch für das Dilemma vieler Deep-Tech Start-ups und Spin-offs aus der Forschung in Deutschland: Da bereits zu Beginn in Anlagentechnologie bzw. -entwicklung investiert werden muss, besteht von Anfang an ein relativ hoher Kapitalbedarf, aber die VC-Landschaft hierzulande ist vorsichtiger und zurückhaltender als in manchen anderen Ländern und Regionen. Für uns war sehr früh klar, welches Potenzial hinter dem NexWafe-Konzept steckt. Deshalb sind wir, abweichend von unserem üblichen Vorgehen, als einziger Investor mit in der Pre-Seed Phase eingestiegen, um die erste Anschubfinanzierung zusammen mit dem Fraunhofer ISE sicher zu stellen.

Ein Engagement der Fraunhofer Gesellschaft hat häufig Signalwirkung für andere Investoren, weil wir die Expertise für das Technology Readiness Level und die Umsetzbarkeit mitbringen und selbst gut in die Tech-fokussierte Investorenszene vernetzt sind. Mit Fraunhofer als Erstinvestor gelang es dann auch, weitere internationale Investoren zu interessieren, mit denen die Basis für die internationale Expansion gelegt werden konnte.

Wie kam der Einstieg von Reliance New Energy Solar zustande und was war eure Rolle dabei?

Thomas: Die Mitteilung über das unmittelbar anstehende Investment erreichte uns wenige Tage vor Abschluss des Deals – trotzdem konnten wir sehr schnell reagieren, weil wir uns aufgrund der gewachsenen Beziehungen mit dem Team und dessen Beratern, den einzubindenden Abteilungen in der Fraunhofer-Zentrale und dem Fraunhofer ISE optimal die Bälle zuspielen konnten. Unsere Aufgabe war es, die finalen Vertragsentwürfe aus Gesellschaftersicht zu prüfen, die notwendigen Erklärungen – besonders als IP-Geber – abzugeben und dazu wo nötig die jeweils erforderlichen Stakeholder und Akteure für die Beratung und Entscheidungsfindung zusammen zu führen.

Für die Klärung mancher Positionen blieben uns teils nur wenige Stunden, in denen wir hoch agil zwischen allen Akteuren vermitteln mussten. So haben wir es trotz des enormen zeitlichen Drucks am Ende mit vereinter Kraft geschafft, den Deal rechtzeitig unter Dach und Fach zu bringen. Gerade bei komplexeren Ausgründungsprojekten und in späteren Phasen fungieren wir bei Fraunhofer Venture oft als der Vermittler und Ermöglicher, ohne den ein letztlich erfolgreicher Technologietransfer schwierig würde.

Ihr sprecht gerne von einer Win-Win-Situation bei euren Engagements. Wie profitiert das Institut und wie das Spin-off von eurer Arbeit?

Andreas: Wir versuchen, unsere eigene Rolle so wahrzunehmen, dass sie zum strategischen Bedarf von Institut und Gründenden passt. NexWafe und das Institut haben gleichermaßen davon profitiert, dass wir sehr frühzeitig in das Projekt eingestiegen sind, denn VC-Investoren brauchen Verlässlichkeit und klare Perspektiven, für die Fraunhofer als Erst-Investor steht. Mit unserem Engagement können wir ihnen den Weg ebnen, indem wir unsere Kernkompetenzen bei der Technologiebewertung einbringen. Auf der anderen Seite haben professionelle Venture Capital Gesellschaften und strategische Investoren ganz andere finanzielle Hebel, die hochveranlagte Unternehmen wie NexWafe für ihre internationale Expansion benötigen. Insofern ergänzen wir uns hier sehr gut, wovon alle Beteiligten profitieren.

Für die Fraunhofer-Gesellschaft und das Fraunhofer ISE ergibt sich ein mehrfacher Nutzen, weil wir als Mit-Gesellschafter und Lizenzgeber auch an der Internationalisierung und Skalierung beteiligt sind. Zudem wird die Zusammenarbeit über weitere Forschungsprojekte fortgeführt. Win-Win heißt für uns: Jeder beteiligte Akteur gewinnt, jeder muss auch Kompromisse eingehen und von Maximalforderungen abrücken, aber das Ergebnis ist in der Summe das Bestmögliche für alle Beteiligten. Wir sind uns sicher, dass das im Falle dieses Deals auch wirklich gelungen ist.

Thomas: Dass wir Win-Win-Situationen ermöglichen können, wird gerade auch im VC-Umfeld zunehmend erkannt. Wenn wir es in einem Ausgründungsprojekt schaffen unsere Rolle optimal auszufüllen, dann haben alle Beteiligten Spaß daran. Im Falle der aktuellen Finanzierungsrunde der NexWafe etwa war unsere Rolle im Gegensatz zur Anfangsphase dort eher passiv bzw. die des Vermittlers im Hintergrund – geholfen hat sicherlich, dass wir viele der beteiligten Akteure aus diesem und anderen Projekten kannten, beispielsweise die renommierte Anwaltskanzlei Goerg, die als Berater von NexWafe agierte und weiß, was für Fraunhofer wichtig ist. Mit Andreas Bett von Fraunhofer ISE arbeiten wir inzwischen Hand-in-Hand zusammen. Von diesen gewachsenen Beziehungen profitieren natürlich alle, gerade wenn Eile geboten ist. In anderen Fällen sind wir, wie Andreas sagt, oftmals erst der Ermöglicher und befinden uns in einer aktiven, gestalterischen Rolle wieder. Unser Ziel ist der Technologietransfer über Start-Ups, wobei wir natürlich auf deren wirtschaftlichen Erfolg setzen. Allerdings haben wir als Gesellschafter im Gegensatz zu manchem VC einen langen Atem und können daher auch den ökologischen und gesamtgesellschaftlichen Impact leichter berücksichtigen. In diesem Sinne hoffen wir auch in Zukunft viele Gelegenheiten zu spannenden Beteiligungen wie bei der NexWafe zu erhalten und bei denen wir unsere besondere Expertise als Unterstützer mit Blick für die besonderen Bedarfe von Ausgründungen im außeruniversitären Forschungsumfeld zum Wohle von Fraunhofer, der Start-Ups selbst sowie eben auch der Gesellschaft als Ganzes einbringen können.

Andreas und Thomas, auch euch nachträglich Glückwunsch zum erfolgreichen Abschluss, vielen Dank für eure Zeit und dieses Gespräch.

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