Making-off – Innovationspreisträger, Altosens GmbH

Das Fraunhofer Spin-off Altosens GmbH will die Milliarden Schraubverbindungen digitalisieren, die weltweit Eisenbahnschienen, Maschinen oder Windkraftanlagen zusammenhalten. Am 18. September 2023 wurde die Ausgründung des Fraunhofer-Instituts für Betriebsfestigkeit und Systemzuverlässigkeit (LBF) dafür mit dem renommierten Innovationspreis des Landes Niedersachsen ausgezeichnet. Wir sprachen mit Jan Hansmann, Co-Founder von Altosens und Promotor für Gründungswillige an seinem Institut, über die Hintergründe.

© Henning Scheffen
Ein Teil des Gründerteams von Altosens bei der Preisverleihung, u.A. durch die Niedersächsischen Minister Falko Mohrs und Olaf Lies

Jan, herzlichen Glückwunsch euch zum Innovationspreis 2023! Habt ihr mit dieser Auszeichnung gerechnet?

Überhaupt nicht. Wir sind von unserer Technologie überzeugt, aber wir hätten nie geglaubt, dass unser Business Case offensichtlich schon in der Pilotphase so spannend ist. Bereits die Nominierung hat uns sehr überrascht, weil sich viele interessante Projekte beworben hatten. Wir sind auch nur zu zweit zur Verleihung gefahren, weil wir nicht mit der Auszeichnung gerechnet hatten – vielleicht waren wir da zu sehr Ingenieure und noch zu wenig mit dem Blick des Unternehmers unterwegs.

Deine Vermutung: Wie habt Ihr die Jury überzeugt? Was war am Ende ausschlaggebend für den Preis? 

Vor allem die Einfachheit unserer Lösung und der naheliegende Nutzen:

Altosens digitalisiert Schraubverbindungen mittels Unterlegscheiben mit Messfunktion. Schraubverbindungen sind extrem wichtig, überall vorhanden, aber oft nur aufwändig zu überwachen. In vielen Anwendungen, gerade im Bereich der Infrastruktur, müssen Schraubverbindungen manuell geprüft werden. Mit den kraftmessenden Unterlegscheiben von Altosens entfällt diese aufwändige Prüfung, weil sich die Verbindung von selbst meldet, wenn etwas nicht stimmt. 

Auch die Skalierbarkeit und die Möglichkeit, nicht nur eine Nische, sondern einen Massenmarkt zu erschließen, hat sicher eine Rolle gespielt. Die Digitalisierung von Schienennetzen und die Erweiterung der Digitalisierung von Maschinen und Windkraftanlagen sind riesige Märkte. Last but not least spielte mit Sicherheit auch der Team-Aspekt mit rein: Unser Geschäftsführer Uwe Steinkamp ist hervorragend vernetzt und im ständigen Austausch mit Kunden, Anwendern und anderen Stakeholdern. Er verhilft Altosens zur nötigen Sichtbarkeit, während ich und mein Kollege Sebastian Zeit für die Weiterentwicklung und Tests haben.

Warum wird eine so vielversprechende Technologie ausgegründet? Wäre eine Lizenzierung nicht der einfachere Weg gewesen?

Das wurde sogar versucht, bevor Altosens gegründet wurde, aber eine Ausgründung kann bei genauerer Betrachtung ein agilerer und erfolgversprechender Weg für viele innovativen Technologien sein. Neue Technologien können Veränderungsprozesse in bestehenden Unternehmen notwendig machen. Lizenznehmende Unternehmen müssen für die Implementierung nicht selten bestehende Maschinenparks oder Produktlinien anpassen, Personal ausbilden oder Prozesse verändern. Der nötige Aufwand und die Investitionen können natürlich abschrecken.

Als Start-up konnte Altosens ohne Ballast starten und hat mit dem Netzwerk von Uwe Steinkamp und dem des Fraunhofer LBF ein perfektes Umfeld für Pilotanwendungen. Auch für das Institut zahlt sich eine Ausgründung schnell aus: Altosens ist für die Forschung eine Art Schnellboot am Markt. Wir experimentieren und validieren wissenschaftliche Ergebnisse in der unternehmerischen Praxis. Altosens konnte sogar weniger als ein Jahr nach Gründung bereits erste F&E-Aufträge an das Institut vergeben.

Altosens wurde erst im vergangenen Jahr gegründet. Wie konntet ihr den Market-Fit in so kurzer Zeit nachweisen?

Uwe Steinkamp kommt aus der Industrie und ist an das Fraunhofer LBF mit dem Ziel herangetreten, mit der LBF-Technologie ein Start-up zu gründen. In den über 20 Jahren seines Berufslebens vor der Gründung stand er schon häufiger vor Herausforderungen, die mit der Technologie gelöst werden können. Ein gewisser Problem-Solution-Fit kam hier also schon mit Uwe.

Der zweite Grund ist, dass wir auf die bewährte Transfer-Infrastruktur bei Fraunhofer zurückgreifen konnten. Mit dem COLAB, dem AHEAD-Programm und Fraunhofer Venture sind etablierte Prozesse vorhanden und man hat erfahrene Expertinnen und Experten gerade für die Themen an seiner Seite, die ein Unternehmen in der Gründungsphase sonst bremsen können.

Du bist auch Promotor an deinem Institut und unterstützt Forschende von den ersten unternehmerischen Schritten bis zur Ausgründung. Wie wird sich der Innovationspreis und die Publicity, die ihr dadurch gewonnen habt, auf die Kolleginnen und Kollegen in der Forschung auswirken?

Über die Promotor:innen-Community habe ich in den letzten Jahren tolle Beispiele kennengelernt, wie mittels Spin-offs Technologien an den Markt gebracht werden und die Startups zum Erfolg der Institute beitragen. An dieser Stelle Grüße an das Fraunhofer IGD und das Fraunhofer IPA. Für die Kolleginnen und Kollegen vor Ort sind Beispiele anderer Institute aber oft erstmal abstrakt. Daher hoffe ich, dass wir es schaffen mit Altosens ein erfolgreiches Beispiel für eine Gründung aus dem eigenen Institut zu schaffen und damit Ausgründungen als Option des Transfers im alltäglichen Denken zu verankern.

Ähnliche Ausgangspunkte sind meiner Meinung nach bei Fraunhofer im Überfluss vorhanden, oft fehlt es aber an der Sensibilisierung für den Verwertungsweg oder vor Ort an den Menschen, die es letztendlich durchziehen. Wir müssen stärker den unternehmerischen Blick schärfen und bereit sein, ein paar erste Schritte aus der Komfortzone zu wagen.

Mit den Berater-Tandems von Fraunhofer Venture, COLAB und AHEAD sowie den bestehenden Netzwerken der Institute haben wir perfekte Bedingungen für technologiebasierte Ausgründungen. Die Gründung eines Start-ups ist nur so lange abstrakt, fremd und weit weg, solange die Erfolgsgeschichten nicht erzählt werden oder man es nicht selbst probiert.

Dann hoffen wir, dass wir auch zur Inspiration anderer Kollegen und Kolleginnen beitragen können. Jan, vielen Dank für die Einblicke und Hintergründe zum Gewinn des Innovationspreises 2023. 

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