Das Ende der Forschung sollte zum Anfang des Tech-Transfers werden

Spitzenforschung und Unternehmertum – Dominik Ewald ist als Mehrfachgründer und Head of Business Development in beiden Welten zuhause. Am Fraunhofer-Institut für Graphische Datenverarbeitung IGD versucht Dominik, beide Welten durch neue Initiativen miteinander zu verbinden. Wir sprachen mit ihm über konkrete und zukünftige Möglichkeiten des Technologietransfers.

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Dominik Ewald, Mehrfachgründer und Head of Business Development am Fraunhofer IGD

Dominik, du hast vielfältige berufliche Stationen durchlaufen. Was ist deine Rolle am Fraunhofer IGD und was bringst du dafür mit?

Ich bin leidenschaftlicher Naturwissenschaftler, aber mein persönliches Leitmotiv ist tatsächlich der Transfer von Ideen, Wissen, Kompetenzen in die Anwendung und in neue Unternehmen. Das elektrisiert mich. Für mich ist das weniger ein formeller Prozess, mehr eine Lernkurve für Forschende und Unternehmen. Meine persönliche Lernkurve hat mich über die Praxis als technischer Angestellter auf dem zweiten Bildungsweg in ein Biotechnologie-Studium geführt. Ich habe in den Niederlanden, Belgien und Österreich studiert und die universitäre Forschung als ein gewaltiges Reservoir vielfältiger Ideen und technischer Möglichkeiten kennengelernt, aus denen spannende Anwendungen und Geschäftskonzepte entstehen können.

Meine ersten Ausgründungsprojekte habe ich mit Kommilitonen zusammen bereits während des Studiums vorangetrieben. Ich kann mich aber auch sehr gut von Projekten verabschieden, wenn ich sehe, dass sie erfolgreich aufgegleist sind und andere gut oder irgendwann besser als ich darin sind, sie weiterzuentwickeln.

Meine Rolle im Business Development beim Fraunhofer IGD umfasst die Untersuchung, wie KMUs und Start-ups zusammenarbeiten können, welche Ressourcen benötigt werden und wie wir die unternehmerischen Stärken des Unternehmens mit unseren wissenschaftlichen Stärken zu einer optimalen Zusammenarbeit führen können.

Du bist auch selbst über eine Ausgründung ans Fraunhofer IGD gelangt. Wie kam es dazu?

Ja, und daran ist Fraunhofer Venture nicht ganz unschuldig: Ich habe mit Kommilitonen aus dem Studium einen Technologiepartner für das Konzept eines Monitoring-Systems für Aquakulturen gesucht. Die Kolleginnen und Kollegen des Fraunhofer Venture COLAB, bzw. des Vorläuferprojekts, haben uns bei der Evaluierung und Partneridentifizierung unterstützt. Es war schnell klar, dass das Fraunhofer IGD hier die perfekte technologische und wissenschaftliche Basis bieten konnte. Die Expertinnen und Experten des COLAB haben dann auch die Kontakte hergestellt und die Kooperation bis zur Gründung von MonitorFish begleitet. Die Verbindung von Gründergeist und Forschung war für mich eine großartige Erfahrung – auch weil ich sie danach für meine spätere Arbeit am Fraunhofer IGD nutzen konnte.

Also wäre es am besten, wenn Wissenschaftler Gründungserfahrung hätten?

Jeder sollte unternehmerisch denken, aber das muss nicht in Form eines neuen Unternehmens sein. Vielmehr sollte Fraunhofer Intrapreneurship in den eigenen Reihen stärken. Intrapreneure sind Mitarbeiter, die sich so verhalten, als wären sie selbst Unternehmer. Sie sind also daran interessiert, das Unternehmen nach vorn zu bringen und zu verbessern. Viele unserer Forschungsergebnisse lassen sich praxisnah umsetzen, beispielsweise von Partnern im Mittelstand oder durch bereits gegründete Start-ups und das ist auch gut so. Die praktische Anwendung bestimmt den Transfer, nicht umgekehrt. Wichtig ist, Forschung nicht per se zu betreiben, sondern eine mögliche Anwendung immer mitzudenken. Intrapreneure könnten dies noch mehr stärken. Das ist für mich die eigentliche Aufgabe: Wir sollten die unglaublichen Möglichkeiten von Fraunhofer-Technologie nicht als das Ende unserer Forschung, sondern als Anfang für den Transfer begreifen. Ausgründungen sind ja auch nur ein Vehikel, um Forschung und Technologie wirksam werden zu lassen: als erfolgreiche Unternehmen und Geschäftskonzepte, von denen auch die Institute profitieren, als Instrumente für gesellschaftlichen oder klimatechnischen Fortschritt. Wir haben einen gewaltigen Schatz an Technologien und Know-how – und den sollten wir investieren, nicht konservieren.

Das heißt: Auch die Forschung, wie wir sie heute kennen, muss sich verändern?

Forschung verändert sich in meiner Wahrnehmung permanent, wie alle gesellschaftlichen Bereiche. Aus Business Development-Perspektive sehe ich aber vor allem große Chancen für die Forschung und viele Chancen für den Standort und die Gesellschaft durch die Forschung. Ich lerne immer wieder bei unseren Partnern in der Industrie oder in unserem Start-up-Ökosystem, wie wertvoll die deutsche Forschungslandschaft für die Unternehmen hierzulande ist. Für sie ist das ein klarer Standortvorteil und ein gewisses Alleinstellungsmerkmal, ein wichtiges Motiv, sich für dieses Land als Unternehmenssitz zu entscheiden. Diese Stärke sollten wir weiter ausbauen, indem wir den Technologietransfer zur neuen Normalität für die Forschung machen und noch viel mehr Anknüpfungspunkte zwischen Forschung und Unternehmen schaffen.

Die zweite Veränderung betrifft uns selbst – und sie ist vermutlich wichtiger, weil sie die Basis für das nächste Level im Technologietransfer bildet: Das Transferdenken und die unternehmerische Perspektive sollten bereits mitlaufen, wenn neue Projekte aufgesetzt und Anträge geschrieben werden. Forschergeist und Unternehmertum sind sich in vielem ohnehin relativ ähnlich und viele meiner Kollegen und Kolleginnen denken und arbeiten auch in der Forschung mit einem gewissen »entrepreneurial spirit«. Auch das wollen wir am Fraunhofer IGD ausbauen – nicht, weil jeder hier gründen soll, sondern weil damit jeder Technologietransfer vereinfacht wird und sich unsere Verwertungsmöglichkeiten am Institut vervielfachen.

Wie soll das verwirklicht werden? Welche Initiativen treibt ihr im Business Development für diese Veränderung voran?

Unser strategisches Ziel im Business Development ist es, wachsende natürliche Schnittstellen zu Unternehmen und Anwendern zu schaffen. Der erste Schritt eines Transferprojekts soll so einfach und selbstverständlich wie möglich sein, am besten, indem man sich frühzeitig unkompliziert austauscht. Transfer beginnt immer mit einem Dialog. Wir haben gerade ein Pilotprojekt gestartet, das illustriert, wie solche Schnittstellen arbeiten: Wir werden zum Beispiel zeitnahe Kick-off-Treffen unserer Inkubationsansätze mit Start-ups haben und mit verschiedenen Stakeholdern diskutieren. Dabei werden gemeinsame Projekte und Herausforderungen vorgestellt und Kooperationsmöglichkeiten im persönlichen Gespräch ausgelotet. Das bereits jetzt überwältigend positive Feedback zeigt uns, dass Transferschnittstellen sehr einfach entstehen können, wenn alle Akteure motiviert sind und das passende Dialogforum finden.

Dominik, vielen Dank für deine Zeit und die spannenden Einblicke.

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