Robotik mit Fingerspitzengefühl: Fraunhofer-Spin-off Cellios schließt Automatisierungslücke für die Produktion der Zukunft

Perfekt konfektionierte Kabel und Kabelbäume arbeiten wie Nervenbahnen in Industriebetrieben: Sie sind eine entscheidende Hardware der vernetzten Produktion. Produzierende Unternehmen können jetzt mit der neuen Technologie des Fraunhofer Spin-offs Cellios GmbH zur Kabelkonfektion eine entscheidende Automatisierungslücke schließen.

© Cellios GmbH
Starke Produktion und menschenwürdige Arbeit dank automatisierte Kabelkonfektion

Viele große Herausforderungen der digitalen Industrietransformation für Unternehmen sind menschlicher Natur: Viele Prozesse werden nach wie vor von Menschenhand erledigt, beispielsweise die Konfektion von Kabeln und Steckern als Grundlage für vernetzte Produktion und Automatisierung.

Gefragte Fachkräfte wie Elektriker, Mechatroniker oder Logistik-Fachleute übernehmen dabei monotone, repetitive, einfache Tätigkeiten, weil die Automatisierung bei feinfühligen Tätigkeiten an ihre Grenzen stößt. Die Folge: Hohe Lohnkosten von bis zu 75% des Endpreises und der wachsende Fachkräftemangel sorgen für massiven Preisdruck. Zahlreiche Unternehmen sahen sich in der Vergangenheit gezwungen, die Kabelkonfektion an günstigere Standorte weltweit zu verlegen. Man nahm lieber komplexe, volatile Lieferketten in Kauf, als die Lohnkosten am Industriestandort Deutschland.

Robotik-Innovation mit Fingerspitzengefühl

Das Fraunhofer-Spin-off Cellios GmbH hat jetzt eine Automatisierungslösung entwickelt, die sogar das nötige sensible menschliche Fingerspitzengefühl bei der Kabelkonfektionierung nachbilden kann und die Automatisierungslücke bei Kabeln und Steckern für die Industrie 4.0 beseitigt:

Die Kraftregelungssoftware von Cellios befähigt den Roboter, Kabel fast so feinfühlig wie menschliche Hände zu stecken und zu verlegen. Sie ermöglicht Industrieunternehmen damit erstmals den Ersatz menschlicher Handgriffe bei einer Tätigkeit, die Maschinen bislang überforderte. Die »intelligent Robotic Assembly Cell« (intRAC) von Cellios ist eine schlüsselfertige Gesamtlösung aus Software und Hardware. Mehrere Roboter verlegen ganze Kabelbäume oder übernehmen anspruchsvolle Steckprozesse in einer hochautomatisierten Zelle. Die Roboterzelle von Cellios ist modular aufgebaut und kann flexibel für das jeweilige Anwendungsszenario im Unternehmen konfiguriert werden.

Automatisierungsdividende für Industrieunternehmen

Vor allem kleine bis mittlere Unternehmen mit hohem Lohnkostenanteil an der Fertigung profitieren von der Automatisierung ihrer Kabelkonfektionierung. Für mehrere hundert Konfektionierungsunternehmen am Industriestandort Deutschland dürfte sich die vollautomatisierte Lösung von Cellios sogar als »Gamechanger« im Wettbewerb erweisen. Mit einem potenziellen Automatisierungsgrad von über 90 % erschließen bereits die Einstiegs-Roboterzellen von Cellios Einsparpotenziale von mindestens 50.000 Euro pro Jahr und amortisieren ihre Anschaffungskosten je nach Modul bereits nach zwei bis drei Jahren.

Cellios bietet ihnen hierfür eine smarte Gesamtlösung und übernimmt auf Wunsch die passgenaue Konfiguration an die Gegebenheiten vor Ort. Schon vorhandene Maschinen für die Kabelbearbeitung, die bislang vom Menschen bedient wurden, können dabei in die Cellios-Lösung integriert werden. Auch Wartung und Service können von den Fachleuten von Cellios übernommen werden, sodass weder technische Expertise noch zusätzliches Fachpersonal für den Schritt in die Kabelkonfektion 4.0 nötig ist. Ab 2025 will das junge Tech-Unternehmen aus den vielversprechenden Pilot-Use-Cases bei Industrieunternehmen erfolgreiche Kundenprojekte in der Nische für kleine und mittlere Anwendungen schaffen. Auf dieser Grundlage sollen Segmente mit größeren Stückzahlen erschlossen und die DACH-Region und das nahegelegene europäische Ausland erschlossen werden.

Technologie aus der Forschung als Standortvorteil

Die Grundlagen der Technologie, die Cellios heute schlüsselfertig anbietet, wurden am Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung IPA entwickelt und dort bereits in ersten Use Cases erprobt. Die beiden Gründer Arik Lämmle (heute CEO von Cellios) und Frank Nägele (heute CTO), arbeiteten bereits in der Fraunhofer-Forschung komplementär miteinander: Nägele, passionierter Software-Entwickler und Gruppenleiter am Fraunhofer-IPA, forschte seit Jahren an Software-Applikationen, die Robotern Feinfühligkeit auf nahezu menschlichem Niveau verleihen. Lämmle, Maschinenbauer und Projektleiter am IPA, beriet vor allem mittelständische Industrieunternehmen bei der Technologieimplementierung. Erfolgreiche Kundenprojekte zeigten, dass vor allem der standorttreue Mittelstand durch die automatisierte Konfektion vor Ort aus Wettbewerbsnachteilen wie hohen Lohnkosten und Fachkräftemangel einen Wettbewerbsvorteil machen kann: Automatisierte Produktion vor Ort, Kompensation fehlender Arbeitskräfte und eine erhebliche Vereinfachung, Verschlankung und Resilienz der Lieferketten. Aus dem erkannten Kundenproblem und der vorhandenen Technologie entstand die Idee, ein forschungsnahes Start-up für den Technologietransfer auszugründen.

Das Team von Cellios wurde als eines der ersten Teams in den neuen Start-up Inkubator des Fraunhofer IPA aufgenommen und gehört seit Ende 2024 zum Beteiligungsportfolio der Fraunhofer-Gesellschaft. Der Finanzberater Sebastian Schulze und der Robotik-Experte und Entwickler Balazs Balint stießen als Co-Gründer zum Team. Während der gesamten Ausgründungszeit wurde das Team von ihrem Betreuer-Tandem von Fraunhofer Venture begleitet. Auch nach der Gründung konferiert das Team des aufstrebenden Start-ups mehrmals wöchentlich mit dem Legal Counsel Laurenz Darling und Investment Manager Linus Frank, die laut CEO Arik Lämmle »für uns zum Team gehören.« 

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