Start-up als »Familienunternehmen«: Wie lassen sich Gründen und Familie bei Fraunhofer vereinbaren?

Aline und Marcus Defranceski haben als junge Eltern zweier Kinder das Fraunhofer Spin-off Data Coffee mitgegründet und in den ersten Jahren ihres Unternehmertums ein drittes Kind bekommen. Für das Gründerpaar sind Familie und Unternehmertum eine Frage guten Managements und agiler Problemlösung – die sich im Alltag erstaunlich gut umsetzen lässt. Wir sprachen mit ihnen über die Vereinbarkeit von Familie und (unternehmerischer) Berufung.

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Aline und Marcus Defranceski, Mitgründer Data Coffee GmbH

Aline und Marcus, ihr habt einen ungewöhnlichen Weg für Gründer gewählt und mit kleinen Kindern das Fraunhofer Spin-off Data Coffee mitgegründet. Eher mit – oder eher trotz Familie?

Aline: Von der Grundmotivation her weder noch: Ich selbst habe rund 10 Jahre in der Industrie in der Vorentwicklung und im Business Development gearbeitet und hatte viele Gelegenheiten, das Lebensmodell Unternehmertum für mich zu interpretieren. Natürlich verlangt eine Unternehmensgründung viel ab, aber auf der anderen Seite eröffnet sie auch mehr Spielräume und Flexibilität, die man nutzen kann. Gründung und Familie sind Teamarbeit und bei beiden zählt auch, wie gut man delegieren und andere einbinden kann. Wir arbeiten als Paar und als Gründer sehr eng miteinander, koordinieren und planen uns und wenn nötig, können wir auch auf ein Netzwerk aus Familie und Freunden zurückgreifen.

 Ich kann auch nur allen Gründerinnen und Gründern, die sich ähnliche Fragen stellen, raten: Schaut auf die Möglichkeiten, die euch eine Gründung bieten kann, findet Ergänzungen, aber lasst euch nicht durch angenommene oder reale Risiken von euren Lebenszielen abbringen. 

Marcus: Ich bin als Gründer und Familienmensch in einer besonderen Rolle: Ich bin neben meiner Tätigkeit als CEO bei Data Coffee noch Teamleiter am Fraunhofer IPA, arbeite also hybrid zwischen Unternehmertum und Anstellung in der Forschung. Auch hier ist gutes Management der Schlüssel, um alles zu verbinden. Beim Unternehmertum zählt die Persönlichkeit – und Familie kann ein Teil davon sein. 

Die Entscheidung Familie oder Gründung gibt es nicht, wenn man die Freiräume hat, ein passendes Lebensmodell zu gestalten, mit dem man beides verbinden kann. Die offene Kultur am IPA ist dabei natürlich eine wesentliche Hilfe für uns. Hier zählt, was geleistet wird und das » wie« können wir sehr flexibel selbst bestimmen. In unserem Fall war ja bereits bei der Gründung von Data Coffee klar, dass wir Familie, Gründung und Forschungsnähe verbinden werden und dabei bin gerade ich als Gründer und Mitarbeiter von meinen Vorgesetzten und der Institutsleitung sehr unterstützt worden.

Das klingt, als ob Gründergeist und Familiensinn für euch ziemlich nah beieinander liegen?

Aline: Definitiv. In den Eigenschaften des viel zitierten »entrepreneurial mindset« werden sich auch viele moderne Väter und Mütter wieder erkennen: Gute Planung, Lernen aus der Praxis und aus Fehlern, innovatives Problemlösen, Teamarbeit und Netzwerken sind auch typisch für viele moderne Familien. Für uns ist der Familienkalender eine Art Management-Tool für gute Koordination. Wir planen jede Woche im Voraus, integrieren Puffer und haben bei wichtigen Terminen einen Plan B in der Tasche, falls wir spontan umsteuern müssen. Deshalb gelingt es uns auch, beides in einem Lebensmodell zusammen zu bringen. In Deutschland sehen wir Familie und Unternehmertum viel zu oft als unvereinbar an. Meines Erachtens rührt das von einem fast exotisch konservativen Familienbild her, das ziemlich weit weg von der Lebenswirklichkeit vieler Familien und vieler junger Leute ist.

Marcus: Hinzu kommt, dass Aline und ich immer sehr unternehmerisch gedacht haben, eigenverantwortlich handeln und die nötige Selbstdisziplin mitbringen mussten. Das IPA sieht sich nicht umsonst als Gründungsinstitut. Unternehmerisches Denken ist hier nicht eine Frage des Ausgründens, sondern auch Teil des Alltags in der Forschung. Wir haben bei der Gründung von Data Coffee eine klare Roadmap aufgezeigt und skizziert, wie wir unser Leben und Familienleben gestalten wollen.

Welche Unterstützung habt ihr für eure Familiengründung in Anspruch genommen, beispielsweise bei der Kinderbetreuung?

Marcus: Für Mitarbeiter am Institut gibt es viele Möglichkeiten der Unterstützung, beispielsweise campusnahe Kinderbetreuung oder familienfreundliche Homeoffice-Regelungen. Wir haben uns aber aus praktischen Gründen für eine Kinderbetreuung an unserem Wohnort entschieden. Ob die Möglichkeiten einer Kinderbetreuung auch für Ausgründende zu Verfügung stehen, kann ich deshalb nicht genau sagen. Ich würde aber allen in einer vergleichbaren Situation raten, einfach klar aufzuzeigen, was geplant ist und warum Kinderbetreuung auch für das eigene Unternehmen wichtig ist. Der Wille ist am IPA sicher da, also wird es auch Wege geben.

Aline: Für uns war immer klar, dass wir beides miteinander verbinden wollen. Ich selbst habe versucht, Familie und unternehmerisches Arbeiten von Anfang an unter einen Hut zu bringen und beispielsweise relativ kurz Elternzeit genommen und meine Promotion abgeschlossen, als die Kinder noch klein waren. Das sind Möglichkeiten, die bei einer Festanstellung problematisch sein können, weil man hier an Arbeitszeit oder Anwesenheit gemessen wird, nicht unbedingt nach Ergebnissen. Sehr hilfreich war das Elterngeld plus, weil es uns ermöglicht hat, wesentliche Aufgaben bei der Arbeit im begrenzten Umfang weiterhin wahrzunehmen und auch nur geringfüge finanzielle Einbußen zu haben.  

Für unsere Kinder ist es normal, dass sie auch am Nachmittag in Kita oder Schule betreut werden. Sie sind daran gewöhnt, dass es Dinge gibt, die getan werden müssen, aber auch, dass man viel eigene Gestaltungsfreiheit hat, wenn man bereit ist, Verantwortung zu übernehmen. Das ist sicher nicht der einfachste Weg, aber auf der anderen Seite lernen sie auch daran.

Hand aufs Herz: Wie sehen die Härtefälle aus? Wo seid ihr an Grenzen gelangt?

Alina: Wirklich stressig war für uns, wie für alle anderen auch, die Pandemie und der Zwang, Familie und Unternehmertum unter einem Dach zu leben. Man kann kleinen Kindern nicht so leicht klar machen, dass Papa und Mama gerade eine wichtige Telefonkonferenz haben. Aber diese Herausforderungen aus der Pandemie hatten alle, da sind Gründer keine Ausnahme. Wenn die Kinderbetreuung ausfällt, muss man manchmal kreative Lösungen finden. In so einer Situation sind wir auch schon mit Kindern zum Aufbau des Messestands erschienen – für die Kinder war das ein großes Abenteuer. Aber auch so etwas lässt sich regeln und ist für uns die seltene Ausnahme.

Ihr habt ehrgeizige Wachstumsziele für die kommenden Jahre. Wie sieht Familienpolitik bei Data Coffee aus?

Marcus: Wir kennen uns im Team seit Jahren und leben ein gemeinsames Unternehmertum. Einer der anderen Gründer hat selbst 4 Kinder, daher haben wir gegenseitig großes Verständnis füreinander. Aber auch mit unserem kinderlosen Kollegen eint uns: offene Abstimmung, was geht, was geht nicht und eher eine »unorthodoxe« Arbeitsweise. Wir haben dennoch den Anspruch für unsere Kunden dann da zu sein, wenn sie uns brauchen, und das machen wir auch immer möglich. Wir haben diese gemeinsame Kultur und Vision des Umgangs und kein formelles Model. 

Aline und Marcus, vielen Dank für die spannenden und privaten Einblicke in euren Gründer- und Familienalltag und weiterhin viel Erfolg! 

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