Der Fraunhofer Technologie-Transfer Fonds: Venture Capital für Fraunhofer-Gründer

Seit Anfang 2019 steht mit dem Fraunhofer-Technologie-Transfer-Fonds (FTTF) ein speziell auf Fraunhofer-Ausgründungen ausgerichteter Venture Capital Fonds bereit – der erste Technologie-Transfer Fonds des European Investment Fonds. Der FTTF finanziert junge, vielversprechende Fraunhofer-Startups in ihrer Pre-Seed Phase mit bis zu 250.000 Euro und kann in weiteren Finanzierungsrunden bis zu 5 Mio. Euro je Startup investieren. Das Volumen des Fonds beträgt 60 Mio. Euro und wird von Fraunhofer und dem Europäischen Investitionsfonds (EIF) getragen.

Jörg Wamser
© Fraunhofer Technologie-Transfer Fonds (FTTF) GmbH
Jörg Wamser
© Fraunhofer Technologie-Transfer Fonds (FTTF) GmbH

Wir sprachen mit Jörg Wamser, Managing Director des FTTF, zu den neuen Möglichkeiten für gründungswillige Wissenschaftler und Institute.

 

Jörg, du hast selbst zwei Hightech-Unternehmen gegründet. Jetzt investierst du für den FTTF in Startups. Wie kam es zu diesem Seitenwechsel? 

Meine zwei Gründungen KonTEM (aus Exist Forschungstransfer) und ProteoPlex, beides übrigens Max-Planck-Spinoffs, waren für mich sehr intensive Erfahrungen mit fast allen erdenklichen Höhen und Tiefen – von der Beinahe-Insolvenz bis zum erfolgreichen Last-Minute-Exit. Zwischen KonTEM und ProteoPlex habe ich eine Vielzahl an Hightech-Projekten für eine potenzielle Neugründung gescreent und dadurch ein gutes Gefühl für vielversprechende Teams, Technologien und Märkte entwickeln können. Mit diesen Erfahrungen und dem technisch-wirtschaftlichen Verständnis als Wirtschaftsingenieur und MBA war es der nächste logische Schritt, auf die Investorenseite zu wechseln. Ein Investor, der selbst schon mal alle Phasen einer Gründung durchlebt hat, kann sich sehr gut in die Lage der Gründer versetzen – man spricht dieselbe Sprache und hat meistens gleich eine gemeinsame Basis. Der Sprung war letzten Endes nicht so schwer - schlussendlich ist der FTTF ja auch eine Art Startup, das ich mit Matthias Keckl, Tobias Schwind und Johann Siemes als Management Team zusammen mit Fraunhofer und dem EIF aufgebaut habe.

 

Du kennst die Startup- und Investorenszene. Was unterscheidet den FTTF von anderen Tech-Investoren?

Der FTTF ist der erste Technologie-Transfer Fonds in Deutschland. Wir investieren schwerpunktmäßig - aber nicht ausschließlich - in Projekte der sog. Pre-Seed-Phase, die den meisten Venture Capital Fonds noch zu früh und riskant ist. Die Unternehmen gibt es oft erst einige Wochen, sie haben i.d.R. keine Umsätze, kennen ihre Märkte und potenziellen Kunden noch nicht sehr gut, sind also mangels Datenmaterial schwer einzuschätzen. In dieser frühen Phase ist das Investitionsniveau in Deutschland im internationalen Vergleich deutlich zu niedrig und viele tolle Projekte schaffen es bislang nicht, die initiale Finanzierungshürde zu überwinden und den Sprung aus der Forschung in den Markt zu machen. Wir sehen uns hier als einen Brückenbauer.

 

Warum traut ihr euch trotz aller Unsicherheiten eine Einschätzung der Projekte zu?

Durch unsere enge Anbindung an Fraunhofer haben wir das Netzwerk und den Zugang, um Technologien und Teams sehr früh kennenzulernen und beurteilen zu können. Wir wissen auch aus eigener Erfahrung mit welchen Herausforderungen gründungswillige Wissenschaftler zu kämpfen haben - speziell im Kontext der deutschen Forschungslandschaft - und können die Gründer unterstützen, ein Venture Capital-fähiges Setup zu kreieren. Wir sind gewissermaßen der Investor auf Augenhöhe für Fraunhofer-Entrepreneure. Und: Jedes FTTF-Teammitglied hat eine Vergangenheit als Fraunhofer-Mitarbeiter, wir haben alle den Fraunhofer „Stallgeruch“ und bereits bei verschiedenen Projekten in der Vergangenheit erfolgreich zusammengearbeitet.

 

Was heißt das konkret? Was können Ausgründungen von euch erwarten?

Aus meiner Sicht bietet der FTTF den Gründern zwei große Vorteile:
Erstens - Beschleunigung: Mit dem FTTF ist eine sehr schnelle Erst-Finanzierung in Höhe von bis zu 250.000 Euro möglich, da wir die Teams in der Regel schon eine Weile im Rahmen des von Fraunhofer Venture organisierten AHEAD Company Building Programms begleiten und daher gut einschätzen können. Wenn alle Voraussetzungen stimmen, können wir ein solches Investment in 4 bis 6 Wochen realisieren. Und danach ist nicht Schluss: bei positiver Entwicklung des Startups können wir bis zu 5 Millionen Euro pro Unternehmen in weiteren Finanzierungsrunden beitragen.
Zweitens – Fraunhofer-Erfahrung: Wir kennen alle Facetten einer wissenschaftlichen Gründung aus persönlicher Erfahrung. Meine Kollegen und ich haben zusammen über 30 Jahre bei Fraunhofer Venture gearbeitet, wir haben selbst Startups im Hightech-Bereich gegründet und Dutzende Fraunhofer-Gründungen betreut, wovon einige sehr erfolgreich verkauft werden konnten. Wir können Finanzierungskonzepte von Anfang an effektiv mitgestalten und zusammen mit allen Beteiligten ein sinnvolles Unternehmenskonzept entwickeln.

Zusätzlich dazu sind wir hervorragend an die deutsche Hightech-VC-Szene angebunden und sozusagen der Wegbereiter für langfristige Investments durch andere Investoren. Neben unserem Münchener Office habe ich selbst beispielsweise ein Büro in den Räumlichkeiten des High-Tech-Gründerfonds (HTGF) in Bonn. Der Weg zu einer Co- oder Anschlussfinanzierung kann also für mich theoretisch über den Flur führen.

 

Wie sieht der Weg zur Finanzierung für gründungswillige Wissenschaftler aus?

Als Fraunhofers naher externer Investor wollen wir mit Fraunhofer Venture einen möglichst nahtlosen Ausgründungsprozess aus der Wissenschaft heraus sicherstellen. Hierbei spielen die Fraunhofer Programme AHEAD und Techbridge eine wichtige Rolle. Techbridge verbindet externe Gründerteams & Startups mit dem Fraunhofer “Universum” und legt somit den ersten Baustein für eine erfolgreiche Kooperation. AHEAD verbindet alle internen Ausgründungsinitiativen der Fraunhofer-Gesellschaft zu einem effektiven Prozess und übernimmt das Technologie-Scouting und die Vorauswahl. Die potenziellen Gründerteams entwickeln in einem mehrtägigen Bootcamp ihre Geschäftskonzepte. Eine Jury entscheidet, wer in die Folgephasen übernommen wird, um die Idee in Richtung Marktreife zu bringen. Wir als FTTF unterstützen AHEAD, Techbridge und die teilnehmenden Teams mit unserer Expertise, unserem Blickwinkel und auch in der Jury. Wenn sich vielversprechende Teams und Projekte herauskristallisieren, die in eine Fraunhofer-Ausgründung münden, steht diesen die Möglichkeit offen, eine Erst-Finanzierung durch den FTTF zu bekommen.

 

Was rätst du als Ex-Gründer und Investor gründungswilligen Wissenschaftlern?

Auch wenn natürlich noch Luft nach oben ist, gab es in Deutschland noch nie so gute Voraussetzungen, dein eigenes Startup zu gründen. Speziell bei Fraunhofer gibt es tolle Ressourcen, die Dir bei der Validierung des Geschäftsmodells und beim Aufbau Deines Unternehmens helfen können – diese solltest Du nutzen. Hole Dir gute, kritische Leute ins Team und lerne, aus Kundensicht zu denken! Wenn Du Deine Idee positiv validiert hast, dann trau Dich, ins kalte Wasser zu springen - die Lernkurve ist steil, der Spaß riesig, das Risiko minimal – jeder Ex-Gründer findet schnell einen neuen Job.

 

Jörg, wir danken dir für dieses Gespräch!