Fraunhofer Spinoff-Team im Portrait

Clous oder die Neuerfindung von Konstruktionsprozessen

Natürlich kommen die Revolutionäre der vernetzten Ingenieurarbeit aus Berlin, der heimlichen Startup-Hauptstadt Europas. Claas Blume und Thomas Vorsatz sind beide Kinder der Hauptstadt und der Fraunhofer Forschung – und dennoch recht verschieden:

Claas Blume
Thomas Vorsatz
Thomas Vorsatz

Claas Blume gründete bereits während seines Maschinenbau-Studiums an der TU Darmstadt sein erstes Startup, the HATs, ein Kreativunternehmen für die Entwicklung individualisierter Applikationen für Apple-Produkte. Damit tauchte er bereits tief in die Welt des Gründens, Fehlermachens, Lernens und Neustartens ein. Kaum mit dem Studium fertig ging er zum Fraunhofer Institut für Produktionsanlagen und Konstruktionstechnologie (IPK). Doch Claas Blume wollte mehr. Ihn trieb der Gedanke an, ein neues Unternehmen auf Basis der Technologien zu gründen, die ihn bei Fraunhofer so fasziniert hatten.

Auch Thomas Vorsatz studierte Maschinenbau. Nach mehrjähriger Tätigkeit in mehreren Unternehmen im Sondermaschinenbau als Konstrukteur führte ihn seine Hightech-Faszination ans Fraunhofer IPK in Berlin, wo er an der virtuellen Absicherung mithilfe von Multi-Domänen-Simulation als Teil des Virtual Engineering sowie später auch an der Implementierung neuer Technologien im Rahmen von Industrie-4.0 Projekten forschte. Inspiriert durch den Kontakt mit angehenden Ingenieuren aus aller Welt im Rahmen seines Lehrauftrages für CAD und CAE an der TU Berlin im internationalen Studiengang Global Production Engineering, wurde die technische und wirtschaftliche Verwertung von Ergebnissen für den Ingenieur immer mehr zu einer Art zweitem Forschungszweig. Eine Ausgründung schien ihm anfangs eine Verwertungsmöglichkeit, wurde aber bald zu einem Wirtschafts- und Lebensmodell für den Fraunhofer-Forscher, mit dem er die Faszination Technologie als Unternehmer, Gestalter und Visionär selbst vorantreiben konnte.

Ein Startup Bootcamp im Herbst 2018 machte aus den Grundüberlegungen ein erstes belastbares Konzept. Auf den F-Days, dem Vorläufer des heutigen AHEAD Company Building Programms von Fraunhofer Venture, pitchten sie ihre Ideen und entwickelten und vertieften eine gemeinsame Vision. Die Lösung der beiden Entrepreneure sollte nicht nur Hightech-Industrieanwendungen mit unternehmerischer Pioniertätigkeit, sondern auch die hochvernetzte und agile Sphäre digitaler Geschäftsmodelle mit der komplexen Welt der industriellen Produktion verbinden.

Das „4.0“ für industrielle Konstruktionsprozesse

Nach wie vor sind viele komplexe Konstruktionsprozesse ähnlich organisiert wie die Produktion des berühmten Ford-Modells T in den 30er Jahren: Ähnlich einem Fließband mit standardisierten Arbeitsstationen und definierten Abfolgen „fließen“ Neuentwicklungen durch einen sequenziellen Prozess, der Kompetenzfeld an Kompetenzfeld und Abteilung an Abteilung reiht: Eine neuentwickelte Produktionsanlage startet in im Konzeptentwurf, differenziert sich in die einzelnen Gewerke (Mechanik, Elektrik/Elektronik, Software) und durchläuft mehrere Schleifen der Konstruktion bis sie schließlich in der Erprobung landet.

In diesem „ford’schen Konstruktionsprozess“ wirkt die Expertise der verschiedenen Akteure nur im Rahmen ihres streng definierten Arbeitsschrittes, nicht mehr in den Zuständigkeitsbereichen der anderen Akteure. Diese Limitierung erhöht einerseits das Risiko für Fehlentwicklungen und kostet andererseits viel Zeit und damit Geld, weil Probleme erst am Ende des Prozesses in der Erprobung identifiziert werden können und Feedback und Expertise quasi rückwirkend eingearbeitet werden muss. Hier setzt Clous an:

Clous löst den komplexen und linearen Konstruktionsprozess in viele einzelne Projektbausteine auf, die über KI-Methoden miteinander verbunden sind und sich ständig aneinander anpassen. An die Stelle der groben industriellen Fließbandabfolge tritt bei Clous ein virtuelles Netzwerk aus Kleinprozessen, interagierenden Akteuren und einer permanenten digitalen Überwachung und Anpassung aller Teilprojekte aufeinander. Auf diese Weise können viele Arbeitsschritte nahezu parallel durchgeführt werden. Der größte Kostenfaktor für ein konstruierendes Unternehmen, die Zeit von der Idee bis zum erfolgreichen Prototypentest, wird so auf einen Bruchteil reduziert.

Engineering nach dem Crowd-Prinzip: Der Vernetzte Konstruktionsprozess

Die Zerlegung der Gesamtsystematik in viele kleine Mikroprojekte erlaubt es Unternehmen auch, mittels Clous externe Ressourcen in den Konstruktionsprozess einzubinden, ohne die komplette Entwicklung preisgeben zu müssen. Der Schutz von IP-Rechten wird vom Clous-System quasi mit gemanagt und öffnet innerbetriebliche Innovationsprozesse damit auch für externe Experten. Die knappe Ressource fähiger Ingenieure, Entwickler und Fachexperten für den Konstruktionsprozess kann so flexibel integriert werden, entweder aus den eigenen Abteilungen oder über Partner oder Freiberufler aus dem Hightech-Ökosystem.  Mittelfristig soll Clous so eine ganze Plattformökonomie werden, über die die gesamte Wertschöpfungskette von der Beschaffung bis zur Produktion abgewickelt werden kann.

Derzeit arbeiten die beiden Gründer intensiv im Rahmen des AHEAD Company Building Programms von Fraunhofer Venture an der finalen Entwicklung von Team-, Markt- und Produktreifegrad, sodass sie Ende 2019 mit Clous live gehen können.