Erfolgsfaktoren für den Technologietransfer: Was motiviert Wissenschaftler*innen persönlich?
Was motiviert Wissenschaftler und Fraunhofer-Führungskräfte, den Technologietransfer in die Wirtschaft aktiv voran zu treiben? Wie kann eine „Transfer-Kultur“ an den Instituten wachsen, die erfolgreiche Transferaktivitäten zur neuen Normalität in der Welt der Wissenschaft macht? Nathalie Brandmeyr, Wissenschaftliche Mitarbeiterin und Promotorin am Fraunhofer FOKUS, hat in ihrer Masterarbeit Wissenschaftler*innen von acht verschiedenen Fraunhofer-Instituten befragt und darin den Technologietransfer auf Mikro-Ebene, insbesondere die persönliche Haltung und Motivation zum Thema Technologie-Transfer untersucht. Wir sprachen mit ihr über die kulturellen und individuellen Erfolgsfaktoren.
Nathalie Brandmeyr, was motiviert Forscher, auszugründen oder Technologie-Transfer über Lizenzen und Partnerschaften voran zu treiben?
Generell wirken bei Transfer-Aktivitäten eine Vielzahl von Faktoren zusammen, aber in meiner Befragung haben sich deutliche Muster herauskristallisiert: Die meisten beteiligten Fraunhofer-Wissenschaftler sind intrinsisch hochmotiviert und die Verwertung ihrer Expertise wird als besondere Auszeichnung, als zusätzliche Sinnstiftung ihrer Arbeit wahrgenommen. Die Realisierung des Potenzials ihrer Technologien ist für sie eine Möglichkeit, sich an konkreten Herausforderungen zu beweisen. Viele denken auch bereits in der Forschung die unternehmerische Verwertbarkeit mit und suchen aktiv nach Wegen, Technologien aus der Forschung in den Markt zu bringen. Das Unternehmertum an sich hat für sie natürlich höhere Relevanz als für Kollegen, die Verwertungsmöglichkeiten über Lizenzen suchen. Für letztere wiederum ist die Kooperation mit Start-ups oder die Zusammenarbeit mit Industriepartnern als Verwertungsweg ein wesentlicher Motivator.
Wie bewerten die Wissenschaftler die Transfer-Kultur an ihren Instituten?
Bei der Vielzahl an Instituten gibt es natürlich große Unterschiede, aber es lässt sich ein klarer Trend ausmachen: Die meisten beteiligten Forscher beschreiben die Kultur an ihren Instituten als sehr offen, innovativ und industrienah. Besonders positiv werden gute abteilungsübergreifende Kommunikation und spezielle Unterstützungsformate wahrgenommen, die zur kulturellen Öffnung nach außen beitragen sollen und dem gegenseitigen Kennenlernen sowie offenem Austausch mit Unternehmen, Start-ups oder anderen Akteuren dienen. Dieser Wissenstransfer zwischen Forschung und Wirtschaft, zwischen Unternehmern und Forschern ist meiner persönlichen Meinung nach der größte langfristige Gewinn für die Institute, auch wenn es hierzu noch keine Untersuchungen gibt.
Was können Fraunhofer-Führungskräfte tun, um ihre Mitarbeiter zu motivieren?
Der Führungsstil innerhalb der Abteilungen und Institutionen hat definitiv einen starken Einfluss auf den Technologietransfer der ganzen Organisation. Ein starker Rückhalt und Unterstützung der direkten Vorgesetzten für ihre Mitarbeiter haben die Technologieverwertung nachweislich verbessert und machen Abteilungen und Institute insgesamt erfolgreicher – vor allem dann, wenn innerhalb der Führungskräfte so genannte Champions agieren.
Bei der obersten Führungsebene sehen Forscher kaum Barrieren, im Gegenteil: Teilweise herrscht hier sogar aktive Unterstützung, die in manchen Fällen auch zu einer Verbesserung der Kommunikation mit dem direkten Vorgesetzten führen kann. In den meisten Fällen erwachsen aus Ausgründungen oder Lizenzprojekten langfristige Beziehungen und Kooperationen, beispielsweise wenn Start-ups Produkte auf Basis von Lizenzen skalieren oder an Forschungsprojekten mitwirken. Dieses Modell ist sehr interessant und lukrativ auch für Abteilungen und Institute.
Wie wichtig ist das Team oder die Abteilung für Transferaktivitäten?
Größere Teams profitieren von einem höheren Wissensschatz, tendieren zu schnellerem Wachstum und Umsetzungen der Technologien am Markt. Allerdings führen erhöhter Koordinationsaufwand und höhere Personalkosten zu Problemen, die kleinere und agilere Teams vermeiden können. Kleinere Teams können zudem ihr fehlendes Wissen durch externe Mitarbeiter ausgleichen und haben somit den größeren Teams gegenüber nicht zwangsläufig einen Nachteil. Neben der Teamgröße zeigt sich auch die Struktur als beachtlicher Einflussfaktor auf die Leistung des Technologietransfers. Diverse Teams mit unterschiedlichem Wissen, Herangehensweisen und Fähigkeiten erzielen tendenziell bessere Ergebnisse. Auch die Kommunikation innerhalb des Teams spielt eine tragende Rolle, die in zu großen oder zu unterschiedlichen Teams eingeschränkt sein kann. Um das Transfer-Denken generell zu fördern, sollten Teams eine gemeinsame Transfer-Vision und -strategie entwickeln, die betriebswirtschaftliche und technologische Perspektiven miteinander verbindet.
Welche Rolle spielt Fraunhofer Venture und das AHEAD-Programm dabei?
Die große Mehrheit der aktiven Forscher wäre nicht den Weg in den Transfer oder eine Ausgründung gegangen, würde es Fraunhofer Venture und AHEAD nicht geben. Alle interviewten Wissenschaftler standen in Kontakt mit Venture oder haben am AHEAD-Programm bzw. den Vorgängerprogrammen teilgenommen. Grundsätzlich haben die befragten Wissenschaftler einen sehr positiven Eindruck von Venture und dem AHEAD-Programm. AHEAD wird als gutes und intensives Programm mit einem umfangreichen Workshopangebot und Zugang zu Experten beschrieben. Die regelmäßigen Treffen und Vernetzungsmöglichkeiten ermöglichen es den Wissenschaftlern, parallel zu ihrer Forschung schnell und strukturiert voran zu kommen und sich unternehmerische Expertise selbst anzueignen oder die passenden Partner zu finden. Außerdem wird Fraunhofer Venture und AHEAD als gut organisiert und kompetent wahrgenommen. Allerdings werden auch einige Verbesserungspotentiale aufgedeckt und Vorschläge zur Optimierung des Programms gemacht. Vor allem die Schnittstelle zwischen Instituten und Fraunhofer Venture und die Kommunikation innerhalb der Institute könnte in den Augen vieler Wissenschaftler noch ausgebaut werden. Promotoren sollten demnach an allen Fraunhofer-Instituten aktiv werden, weil sie mit dem notwenigen Know-how die Teams beraten, methodisch unterstützen und mit den Experten bei Fraunhofer Venture verbinden können.
Nathalie, wir danken dir für das interessante Gespräch.
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