Tandem-Interview Maximilian Frank und Manfred Stöger

Joint Ventures zwischen Forschung und Unternehmen: Transferpfad der Zukunft?

Die Zahl der Fraunhofer-Ausgründungen in Form von Start-ups wächst kontinuierlich – doch in manchen Fällen ist der Zusammenschluss mit einem etablierten Unternehmen der bessere Weg des Technologietransfers. Der Investment Manager Manfred Stöger und der Jurist Maximilian Frank haben mehrere Joint Ventures zwischen der Forschung und etablierten Unternehmen betreut. Wir sprachen mit ihnen über Chancen und Möglichkeiten eines Technologietransfers durch eine gemeinsame Gesellschaft.

Das Betreuer-Tandem Manfred Stöger (Investment Manager) und Maximilian Frank (Jurist)
© Fraunhofer Venture
Das Betreuer-Tandem Manfred Stöger (Investment Manager) und Maximilian Frank (Jurist)

Manfred und Max, ihr habt für die Fraunhofer-Gesellschaft und mehrere Institute Joint Ventures begleitet, also gemeinsame Gründungen mit Unternehmen. Was zeichnet diese Form des Technologietransfers aus?

Max: Rein formell betrachtet ist ein Joint Venture bei Fraunhofer eine gemeinschaftliche Gründung, bei der ein oder mehrere bestehende Unternehmen und die Fraunhofer-Gesellschaft beteiligt sind. De facto ist ein Joint Venture aber wesentlich mehr, weil mit der neu gegründeten Gesellschaft viele neue Möglichkeiten für alle beteiligten Partner entstehen. Wissenschaft und Unternehmen bringen jeweils Schlüsselkompetenzen und -ressourcen ein und verbinden sie zu etwas Neuem.  Die Kooperationsmodelle sind deshalb auch sehr individuell, weil einerseits die Interessen der Partner berücksichtigt werden müssen, es aber andererseits darum geht, mit einer gemeinsamen Gesellschaft einen neuen, möglichst flexiblen Möglichkeitsraum für zukünftige Entwicklungen zu schaffen.

Manfred: Die meisten Joint Ventures bei Fraunhofer entstehen aus einer bewährten Zusammenarbeit bei Forschungsprojekten. In gewisser Weise sind sie die logische Weiterentwicklung von Technologien und Forschungsergebnissen in Richtung Marktfähigkeit. Gerade der technologie-orientierte Mittelstand, also der Großteil der deutschen Wirtschaft, ist für diese Form der gemeinsamen Unternehmung prädestiniert, weil bei ihnen gelebtes Unternehmertum auf die Notwendigkeit trifft, sich über Innovationen zukunftsfähig zu halten. Bei einigen unserer Projekte nutzen Unternehmen Joint Ventures als eine Art »Reallabor für die eigene Zukunft«, indem sie zusammen mit Wissenschaftlern in einer separaten Gesellschaft die Zukunftsversion ihres Geschäfts entwickeln. Von Bedeutung ist sicherlich auch, dass bei einem Scheitern des Joint Ventures die Joint Venture-Gesellschafter nicht unmittelbar Schaden nehmen, beispielsweise nicht in Haftungsrisiken geraten.

Warum wird diese Form des Transfers bislang vergleichsweise wenig genutzt? Was sind die Hürden oder besonderen Herausforderungen?

Max: Eine der formalen Besonderheiten ist sicherlich der fusionskontrollrechtliche Themenkomplex. Falls rechtlich erforderlich führt er zu einem erhöhten zeitlichen Aufwand, da die Freigabe durch die zuständige Kartellbehörde abgewartet werden muss, bevor das Joint Venture seinen Geschäftsbetrieb aufnehmen darf.  Auch die Kosten eines solchen Verfahrens sind nicht unerheblich. Zudem sind die Verhandlungen mit zwei oder mehr etablierten Unternehmen, die jeweils eigene Kompetenzen und Kapazitäten einbringen, natürlich komplexer als eine Ausgründung mit einem Gründerteam aus einem Fraunhofer-Institut. Dafür können bestehende Ressourcen genutzt werden, Geschäftsmodelle sind schneller skalierbar und verschaffen dem neuen Gemeinschaftsunternehmen häufig immense Startvorteile.

Manfred: Wenn alle Beteiligten ein wirkliches Joint Venture wollen, lässt sich auch ein passendes Win-Win-Modell entwickeln, das die Interessen aller wahrt. Entscheidend ist, dass die strategischen Vorteile jedes Partners durch ein gemeinsames Unternehmen und die einzubringenden Ressourcen vorher klar aufgezeigt werden. Damit ist es möglich, den Mehrwert durch ein Joint Venture zu skizzieren und Interessen auszutarieren. Allerdings müssen alle Partner auch bereit sein, in einigen Fragen die eigene Komfortzone zu verlassen und Kompromisse einzugehen. Nur so können wir sicherstellen, dass Forschung und Marktexpertise optimal ineinandergreifen und die neue, gemeinsame Gesellschaft auch den nötigen unternehmerischen Gestaltungsspielraum für wirkliche Innovationen hat.

Welche besonderen Vorteile haben Fraunhofer-Institute und ihre Partner durch ein Joint Venture?

Manfred: Für die beteiligten Partner ergeben sich Skaleneffekte, die sie für sich alleine nicht erreichen können: Ein Partner-Unternehmen erhält durch ein Joint Venture mit Fraunhofer eine optimale Anbindung an die neuste Forschung und kann im Rahmen der Kooperation Ressourcen der Institute nutzen, beispielsweise Laborlandschaften oder besondere Technologien. Außerdem steht ihnen mit Fraunhofer Venture ein professionelles Gründungsmanagement zur Verfügung, mit dem sich Verhandlungen, Vertragsgestaltung und Prüfverfahren deutlich beschleunigen und vereinfachen lassen. Bei den meisten mittelständischen Unternehmen gibt es keine vergleichbare Infrastruktur für Gründungen.

Max: Für die Institute bieten Joint Ventures nicht nur die Möglichkeit, eine bewährte Kooperation in der Forschung in die Praxis fortzuschreiben, sondern auch die eigene wissenschaftliche Arbeit nah am Markt weiter zu entwickeln. Partnerunternehmen verfügen in der Regel über ausgezeichnete Marktexpertise und etablierte Beziehungen, beispielsweise im Vertrieb oder zu Branchenexperten, mit denen der Brückenschlag von der Wissenschaft in die Praxis forciert werden kann. Außerdem können im Rahmen von Joint Ventures längerfristige Lizenzvereinbarungen und weitere Forschungsprojekte verstetigt werden.

Für Fraunhofer als Joint Venture-Partner ist eine klare und vorab definierte Exit-Perspektive notwendig, häufig ist der jeweilige Partner aus der Wirtschaft der »natürliche« Käufer der Fraunhofer-Anteile, da sollte man sich also schon zu Beginn Gedanken über mögliche Zeitpunkte und Bewertungsmethoden machen – aber Lizenzen und Forschungsprojekte bestehen natürlich auch nach einem Exit weiter.

Welche Perspektiven haben Forschende in einem Joint Venture?

Max: In einen Joint Venture werden Wissenschaftler in der Regel nicht zu Unternehmern, sondern werden ggf. als angestellte Manager mit einem sicheren und meistens großzügigen Gehalt übernommen. In dieser Rolle tragen sie nicht persönlich das unternehmerische Risiko, müssen allerdings für diese Sicherheit in der Regel auch auf die Anteile verzichten, die sich Gründer sichern können. Auch wenn keine Unternehmensanteile an diese natürlichen Personen vergeben werden, ist es nach unserer Erfahrung die Regel, dass die leitenden Angestellten über ihre Anstellungsverträge bspw. über Boniregelungen und /oder virtuelle Mitarbeiterbeteiligungsprogramme am Unternehmenserfolg partizipieren können.

Welche Voraussetzungen müssen Institute und potenzielle Partner für ein Joint Venture erfüllen und wie und wann sollte man sich an euch wenden?

Max: Institute sollten im eigenen Interesse offen hinsichtlich des Transferpfades sein und mit konkreten Zielen, aber ohne Vorbehalte mit uns möglichst frühzeitig das Gespräch suchen. Neben rechtlichen und betriebswirtschaftlichen Aspekten spielen für den optimalen Transferpfad viele weitere Faktoren eine Rolle, beispielsweise die kulturelle und organisatorische Kompatibilität und die personelle Besetzung von Schlüsselpositionen. Wenn auf beiden Seiten Persönlichkeiten mit Unternehmergeist ein Projekt vorantreiben wollen, kann man die Kräfte in einem Joint Venture bündeln und die eigene Innovationsfähigkeit hebeln – wenn das nicht der Fall ist, müssen andere Wege gefunden werden. Diese Freiheit sollten sich Institute lassen.

Manfred: Für Institute und ihre Partner lohnt sich ein Joint Venture gerade bei Technologien, die weitestgehend »ausgeforscht« sind, also ohnehin vor einer neuen Lebenszyklusphase stehen und von einem Partner alleine nicht umgesetzt werden können. Ein Joint Venture ermöglicht es, auf den gemeinsamen Projektergebnissen aufzubauen und den passenden unternehmerischen Rahmen für die weitere Umsetzung zu schaffen. Die Voraussetzung ist eine kulturelle, organisatorische, technologische und rechtliche Schnittmenge der Partner. Hier können wir auf unsere Erfahrungen und auf unsere bestehenden Strukturen für professionelles Gründen und Ausgründen zurückgreifen. Wir analysieren die Voraussetzungen für ein Gemeinschaftsunternehmen und wo möglich und sinnvoll schaffen wir diese auch zusammen mit allen Beteiligten.

Wie werden sich eurer Meinung nach Joint Ventures mit Fraunhofer-Beteiligung in Zukunft entwickeln?

Manfred: Deutschland ist ein weltweit führender Standort für technologie-orientierte Mittelständler und verfügt über eine hervorragende Forschungslandschaft. Gleichzeitig steigt der Innovationsdruck auf Unternehmen und damit die Kooperationsbereitschaft in Ökosystemen. Die Voraussetzungen sind also ideal für mehr und neue Formen der Zusammenarbeit und des Technologie-Transfers – und Joint Ventures könnten in Zukunft eine weitere Säule des Technologietransfers bilden.

Manfred und Max, vielen Dank für eure Zeit und die Ein- und Ausblicke in Joint Ventures als Transferpfad.

 

 

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