Tandem-Interview Michael Kuschel und Manfred Stöger

Horizonte erweitern: Internationale Expansion für Fraunhofer Spin-offs

Ausgründungen sind immer eine Herausforderung für Gründer, Gründerinnen und ihre Berater bei Fraunhofer Venture – der Weg ins Ausland häufig sogar eine doppelte. Der Investment Manager Manfred Stöger und der Jurist Michael Kuschel haben zahlreiche Spin-offs bei der Internationalisierung begleitet. Wir sprachen mit dem Berater-Tandem über Chancen, Risiken und die richtigen Schritte ins internationale Geschäft.

Das Betreuer-Tandem Manfred Stöger (Investment Manager) und Michael Kuschel (Jurist)
© Fraunhofer Venture
Das Betreuer-Tandem Manfred Stöger (Investment Manager) und Michael Kuschel (Jurist)

Manfred, du bist 2003 von Infinion zu Fraunhofer Venture gewechselt. Was hat dich von der Industrie zur Ausgründungsberatung geführt?  

Mein persönlicher Werdegang ist eine Mischung aus Weiterbildung, Veränderung und Erschließung neuer beruflicher Möglichkeiten, angefangen mit einer klassischen Banklehre, dann Fachabitur mit anschießendem BWL-Studium und einige Jahre in der Logistik- und im IT-Ausbau bei Infineon, früher Siemens HL. Zusätzliche Qualifikationen habe ich mir nebenher angeeignet beispielsweise für Investment Management. Rückwirkend betrachtet hat dieser nicht immer gerade Karriereweg große Vorteile für meine Arbeit hier bei Venture, weil man nicht nur permanent lernt, sondern einen gesunden Pragmatismus in jeder Lebenslage entwickelt, ebenso wie ein Gespür für das Chancen-Risiken-Verhältniss von Möglichkeiten, die sich in Zukunft auftun könnten.

Die pragmatische Erdung und das Abwägen von Möglichkeiten sind die beiden Soft Factors, die ich unseren Ausgründungsteams vermitteln möchte – quasi das beraterische Pendant zum Start-up Mantra »Think big, start small, learn fast«.

Michael, wie bist du als Jurist zum Berater für Gründer und Gründerinnen bei Fraunhofer geworden?

Ich war während der Arbeit an meiner Dissertation nach dem Jura-Studium zunächst in Teilzeit für Fraunhofer Venture tätig und hatte ursprünglich weitergehende Karrierepläne – aber die Beratung von Gründer-Teams ist für Juristen ungemein vielfältig und spannend. Wir sind hier nicht im Back-office tätig, sondern arbeiten eng mit »unseren« Ausgründungs-Teams zusammen und lösen mit ihnen konkrete Probleme. Jede Gründung ist einzigartig. Deshalb verfolgen wir bei Fraunhofer Venture auch nicht starre Regeln oder Standards, sondern versuchen, innerhalb der Rahmenbedingungen und der Compliance-Vorgaben passgenaue Konzepte auszuarbeiten und über den Tellerrand des Üblichen zu blicken. Diese Mischung aus Teamarbeit und ständiger, agiler Weiterentwicklung gemeinsam mit Gründern und Instituten macht für mich Fraunhofer Venture aus – und ist letztlich der Grund gewesen, dass ich mich entschieden habe, hier zu bleiben.

Ihr habt als Tandem zahlreiche Ausgründungen beraten, die den Schritt ins Ausland gewagt haben. Welche Erfahrungen habt ihr und eure Spin-off-Teams dabei gemacht?   

Manfred: Offen gestanden durchwachsen. Natürlich können sich durch den Schritt aufs internationale Parkett für Start-ups viele neue Chancen auftun und für manche Geschäftsmodelle ist die Expansion ein logischer und vielversprechender Schritt. Einige unserer Ausgründungen haben mit dem Eintritt in weitere Märkte ihre Erfolgsgeschichte fortgeschrieben. Unsere Erfahrung ist aber auch, dass die Chancen am Markt relativ gut vorab antizipiert werden können, die besonderen Hürden, zusätzlichen Herausforderungen und rechtliche und finanzielle Stolperfallen jedoch meistens unterschätzt werden. Den Verlockungen der schnellen Expansion stehen also häufig beträchtliche verdeckte Risiken gegenüber. Niemand sollte sich davon abschrecken lassen, aber jedem sollte klar sein, dass dieser Schritt für ein zunächst einmal kleines Start-up fast wie eine zweite Gründung ist: Komplexität, Aufwand und letztlich unternehmerische Risiken vervielfältigen sich und verlangen ein anderes unternehmerisches Vorgehen. Wir versuchen natürlich, wo immer möglich mit unseren internationalen Kontakten Wege zu eröffnen, reflektieren Pläne für die Expansion aber auch kritisch, weil wir wissen, was möglicher Weise auf unsere Teams im Ausland zukommt.

Michael: Das größte Risiko ist dabei die Intransparenz, die sich erst nach und nach auflösen lässt und ohne zuverlässige Partner vor Ort unserer Meinung nach kaum zu bewältigen ist. Wenn man beispielsweise eine Niederlassung gründen will, müssen die juristischen Berater ausgewiesene Experten für die Belange vor Ort sein und sollten auch über ausreichend Kenntnisse im deutschen Recht verfügen. Idealer Weise sind sie zweisprachig, weil bei Auslandsgründungen zum Technologietransfer noch der Transfer in andere Rechtsordnungen, Kulturen und Begriffswelten hinzukommt. Bei den rechtlichen Grundlagen kommt es auf genaue Formulierungen und exakte Übersetzungen an, damit eine verlässliche Basis das Auslandsgeschäft unserer Spin-offs geschaffen werden kann.

Auch für die kulturellen oder verwaltungstechnischen Besonderheiten eines Landes sind vertrauenswürdige Berater hilfreich, die beispielsweise Zuständigkeiten oder den zeitlichen Aufwand für Verwaltungsakte vor Ort einschätzen können. Professionelle Partner vor Ort sind unserer Erfahrung nach mindestens so wichtig für den Start in einem neuen Markt wie das Angebot selbst.

Viele Chancen, aber auch viele verborgene Risiken. Was ratet ihr Gründern und Gründerinnen für den Schritt aufs internationale Parkett? Gibt es so etwas wie eine Roadmap?

Michael: Es gibt auch hier keinen allgemein gültigen Königsweg, aber Erfahrungswerte, die sich bei unseren internationalen Projekten bewährt haben. Für den Schritt ins Ausland sollten Gründerinnen und Gründer zunächst einmal ein Netzwerk an erfahrenen Ansprechpartnern vor Ort aufbauen und gleich in die Analyse von Aufwand, Potenzialen und den Möglichkeiten vor Ort mit einbeziehen. Wir haben Experten-Netzwerke in Europa, Nah-Ost, Asien und auf dem amerikanischen Kontinent aufgebaut und helfen wo immer möglich mit bewährten Kontakten aus dem Markt selbst, beispielsweise bei Fraunhofer-Institutionen, Handelskammern oder Wirtschaftsvereinigungen.

Bei der Analyse der Chancen und Risiken müssen Gründerinnen und Gründer vor allem unvoreingenommen vorgehen und akzeptieren, dass sich eine theoretisch verlockende Perspektive als Sackgasse oder Kostenfalle entpuppt, wenn man genau nachrechnet. Wirklicher Unternehmergeist ist nicht die Risikofreude per se, sondern das kalkulierte Eingehen und managen von Risiken, um damit Chancen zu realisieren. Es ist besser, aufgrund von klaren Analysen rechtzeitig neu zu planen, als zu investieren und sich dann korrigieren zu müssen.

Manfred: Das Fundament für eine mögliche Expansion sollte immer ein funktionierendes Geschäftsmodell im Heimatmarkt sein, damit sichergestellt ist, dass die Herausforderung Internationalisierung nicht zur Überforderung für ein Start-up wird. Für den nächsten Schritt auf internationalem Parkett empfehlen wir, zunächst mit kleinen flexiblen Lösungen zu starten und bewusst zu lernen, bevor eine endgültige Entscheidung getroffen wird. Häufig können zum Beispiel Kooperationspartner in den Märkten selbst Geschäfte prototypisch aufbauen und eine verlässliche Entscheidungsgrundlage für das weitere Engagement liefern. So ein schlanker Einstieg mit Pilotprojekten hält unseren Teams alle Richtungen offen: Verwerfen des Vorhabens, eine Korrektur auf Grund von Lerneffekten oder verstärktes Engagement und Wachstum.

Wir vermitteln auch gerne Kontakte zu deutschen Start-ups oder Ausgründungen in den jeweiligen Zielmärkten. Ein Gespräch mit »Peers«, die die Herausforderung Auslandsgründung selbst erlebt und bewältigt haben, ist in unserer Erfahrung wertvoller für eine realistische Einschätzung der eigenen Chancen und Risiken als Methoden oder Standards.

Manfred und Michael, vielen Dank für eure Zeit und die Einblicke in eure Beratung.

 

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